2015-11-17

Die Anfänge des Christentums in Polen


Teil 1
 
Mit diesem Artikel beginnen wir einen neuen thematischen Zyklus, in dessen Verlauf wir verschiedene Aspekte der Reformationsgeschichte auf dem polnischen Gebiet betrachten.
Unten stehender Artikel stellt die Anfänge der Kirche in Polen vor, beginnend mit der sogenannten Taufe Polens.

Die Taufe Polens
Mieszko I, der ab dem Jahre 960 regierte, gilt als der Schöpfer des polnischen Staates. Im Jahre 966 empfing er die Taufe (vermutlich in Ostrów Lednicki oder in Gnesen). Dies galt zugleich als die symbolische Taufe Polens. Die Taufe Mieszkos hatte vor allen Dingen eine politische Bedeutung. Er sah darin die Chance, seine Position und die Einheit des Volkes zu stärken. Er fühlte sich vom Westen und vom Osten bedroht. Als christlicher Fürst wurde er zu einem realen Partner für die anderen Herrscher Europas, würdig, um Handelsverträge und Militärbündnisse abzuschließen. Außerdem benötigte Mieszko innere Stabilität. Eine einheitliche, das ganze Land umfassende Religion würde die Position der Regierung stärken.

Es galt jetzt, das Volk zu christianisieren. Wahrscheinlich zum Jahreswechsel 967/ 968, wurde mit dem Ziel der Missionierung Polens der erste polnische Bischof, Jordan, berufen (unbekannter Herkunft, gest. im Jahre 982). Mit ihm kamen andere Geistliche, um die Menschen in der neuen Religion zu unterrichten. Das Christentum wurde oft unter Zwang eingeführt: Taufe oder Leben. Mit Gewalt wurden Kultstätten und -objekte zerstört und die heidnischen Priester ermordet.

Vermutlich sah das Wirken des Bischofs Jordan folgendermaßen aus: er kam mit den Soldaten Mieszkos an einen neuen Ort, wo diese die heidnischen Kultobjekte zerstörten. Während einer Woche wurde den Einwohnern die neue Religion gelehrt und am Samstag erfolgte die Taufe. Dabei wurde von den Leuten gefordert, sich von Satan loszusagen und danach den christlichen Glauben zu bekennen. Der Bischof Jordan führte die erste Messe durch, äußerte einige Lehrsätze und kehrte in die Hauptstadt zurück. Vor Ort blieb ein Kaplan, der sich um die neuen Gläubigen kümmern, sie weiter lehren und  das Kirchenleben organisieren sollte.
Dieses Missionswirken erstreckte sich vor allen Dingen auf die Orte rund um die Haupstadt und anderen naheliegenden Städte. Gebiete an der Pereferie warteten lange (manchmal bis zu 200 Jahre) auf Missionare.
Bolesław I Chrobry führte das Werk seines Vaters fort, ebenfalls oft unter Anwendung von Gewalt.  Um das Jahr 1000 fanden schon Kirchensynoden statt und es existierten einige Diözesen.

Die Situation im 11. und 12. Jahrhundert
In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts folgten unruhige Zeiten mit Volksaufständen gegen das sich entwickelnde Feudalsystem, an dem die Kirche einen nicht geringen Anteil hatte- es beschwerte die Menschen mit der Forderung nach der Abgabe des Zehnten. Am vielen Orten wurden die Kirchen zerstört und der Klerus ermordet oder vertrieben.

Der König Kazimierz Odnowiciel (1016-1058) baute die Kirchenstrukturen wieder auf und organisierte sie und verlegte die Hauptstadt des Landes und der Kirche nach Krakau. Die Kirche organisierte auf dem polnischen Gebiet Diözesen, die gleichzeitig immer deutlicher zum politischen Subjekt wurden. Fürsten und Vermögende, die neue Kirchen und Diözesen stifteten, fühlten sich als deren Eigentümer und mischten sich oft in Kirchenangelegenheiten ein. Auf diese Weise entstand sehr schnell ein dichtes Netz von Pfarreien. Zu Ende des 12. Jahrhunderts gab es in der Gnesener Wojewodenschaft um die 800 bis 1000 Kirchen.

Die Kirche vergrößerte ihren Besitz, oft durch die Gaben Vermögender. Sie besaß ganze Dörfer und Städte samt deren Einwohner. So gehörten zum Beispiel dem Erzbischof von Gnesen im 12. Jahrhundert um die 150 Dörfer und zu Ende des 14. Jahrhunderts 11 Städte und 330 Dörfer.
Die Kirche verfügte über riesige Zolleinnahmen, den Zehnten aus der Feldarbeit sowie die Abgaben aus der Bevölkerung. Der Bischof erhielt diese Einnahmen und konnte selbst entscheiden, ob er sie für die Pfarrei aufwendete oder für sich selbst behielt.
Die Kirche wurde finanziell und politisch unabhängig. Sie erhielt immer mehr Privilegien und besaß  ihre eigenen, unabhängigen Gerichte. Das Christentum wurde in Polen zur Staatsreligion.

Am wichtigesten waren vor allen Dingen die öffentlichen religiösen Praktiken und das öffentliche religiöse Verhalten, das man kontrollieren konnte, also: die Befolgung des Sonntags, Taufen, christliche Begräbnisse, Fasten und Buße. Eine besonders wichtige religiöse Praktik war damals das Fasten (sie wurde jeden Freitag sowie während des Großen Fastens durchgeführt). Der wesentliche Ausdruck des Kirchenlebens war die Messe. Die Teilnahme der Gläubigen reduzierte sich vor vor allem auf bestimmte rituelle Gesten und Gesang oder die Beteiligung an Prozessionen. Die Priester der Pfarreien waren gewöhnlich sehr schlecht vorbereitet. Sie kannten die Liturgie und die damalige liturgische Sprache, also das Lateinische, nicht gut genug. Nur die Predigt wurde auf Polnisch gehalten. Ein wichtiges Element der Messe war das Tragen der Gaben zum Altar. Wahrscheinlich wurde die Messe mit dem Gesicht zu den Menschen durchgeführt.

Im Laufe des 12. Jahrhunderts entwickelte sich auch das Klosterleben. Besonders die Benektiner und die Zisterzienser waren in Polen aktiv. Die Zisterzienser spielten eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Landwirtschaft. Sie führten neue Techniken ein, die die Arbeit auf den Feldern erleichterte.

Im Jahre 1180 fanden eine Kirchensynode und gleichzeitig ein Priesterkongress  in Łęczycy statt. Während die Bischöfe das Recht auf die Unantastbarkeit ihres Gehaltes erhielten, verzichteten die Priester auf das Recht, sich den Besitz eines verstorbenen Bischofs anzueignen, wie es bis dahin gebräuchlich war.

Reformen im 13. Jahrhundert
Das 13. Jahrhundert war ein Zeitraum der inneren Erneuerung und der Erneuerung der Einheit des Landes. Die Kirche spielte dabei eine wichtige Rolle.
Es entstanden Spannungen zwischen dem König und der Kirche. Wie an anderen Orten Europas, kam es auch in Polen zu einem Investiturenkampf. Die Kirche strebte nach einer vollständigen Unabhängigkeit von den weltlichen Herrschern. Der Gnesener Erzbischof Henryk Kietlicz (1115-1219) forderte die Einführung der gregorianischen Reform (benannt nach dem Papst Georg VII). Dies bedeutete: freie Wahl der Bischöfe durch das Kathedralkapitel, der Verzicht der Fürsten auf das Recht der Investituren (bzw. das Recht auf die Einsetzung der Bischöfe) und einen umfassenden staatlichen Steuererlass für Kircheneigentum. Er verlangte außerdem die Einführung aller Łęczycyer Beschlüsse.

Der damalige Papst Innocent III (1161-1216), der in ganz Europa die sogenannten gregorianischen Reformen einführte, war bereit, überall einzugreifen, um nur die Macht und Position der Kirche zu stärken. Wäre das alles gelungen, hätte keine weltlichen Macht das Treiben der Kirche in  irgendeiner Weise in ihrem Streben nach dem einen Ziel hindern können: der Vormachtstellung der Kirche gegenüber dem Staat.
In Polen war keiner der Fürsten in der Lage, irgendetwas gegen den Erzbischof Kietlicz zu unternehmen. Abgesehen davon, dass die Fürsten untereinander zu uneins waren, um sich dem Vorhaben des Erzbischofs zu widersetzen.
Der König Władysław Laskonogi (1161-1231) allerdings gab nicht nach und verursachte damit einen Konflikt, in dessen Ergebnis ihn der Erzbischof mit einem Bann belegte. Der König antwortete mit einem Befehl zur Verbannung des Erzbischofs. Der Papst bestätigte den Akt des  Kietliczers und rief den polnischen Klerus zum Gehorsam gegenüber dem Bischof auf. Das bedeutete nichts Anderes als der Aufruf zum Widerstand gegen die polnische Regierung.
Der Erzbischof Kietlicz erreichte triumphierend sein Ziel. Dennoch gelang es ihm nicht, den Problemen innerhalb der Kirche zu entgehen.
Er wünsche die moralische Erneuerung des Klerus, u.a. durch das Auferlegen des Pflichtzölibates. Dadurch hatte er viele Gegner unter den Bischöfen. Die ihn charakterisierende Rücksichtslosigkeit brachte ihm grundsätzlich viele Feinde ein.
Der nachfolgende Papst, Honorius III, stand schon nicht mehr auf seiner Seite. Kietlicz starb, von allen verlassen, im Jahre 1219.
Mit Erzbischof Kietlicz begann eine Reihe von Konflikten zwischen Kirche und Staat, die sich unter den nachfolgenden Königen und Bischöfen fortsetzten. Das Ergebnis war der Verlust des staatlichen Charakters der Kirche. Dagegen wurden die Beziehungen zum vermögenden Adel immer stärker. Und aus diesen wurden die nachfolgenden Bischöfe rekrutiert.
Zu Ende des 13. Jahrhunderts regierte eine gewisse Sicherheit im Land, aber die kirchliche Situation war weit entfernt vom Bild der Kirche, das wir im Neuen Testament finden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.