2015-11-21

Die Entwicklung der Kirche im 14. und 15. Jahrhundert

Anfänge des Christentums in Polen, Teil 3

Zu Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Christianisierung der polnischen Länder vollendet und Polen wurde zu einem Land mit einem einheitlichen Bekenntnis. Die Zahl der Pfarreien in den polnischen Ländern, in den Grenzen dieser Zeit (also einschließlich Schlesiens, Pommerns und Preußens, aber ohne Litauen und der Ukraine), verdoppelte sich. Im Jahr 1300 gab es 3000 Pfarreien und zu Beginn des 16. Jahrhunderts  -schon 6000. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte änderte sich die Anzahl der Pfarreien nicht mehr.

Die polnischen Pfarreien zeichneten sich durch ihre Größe aus, sie umfassten oft sogar einige Dutzend Dörfer. Eine völlig andere Situation als in Westeuropa, wo fast jedes Dorf seine eigene Pfarrei hatte. Dies war ein Modell, das auch die orthodoxe Kirche im Osten als Ideal ansah.
Doch in Polen waren, abgesehen von den Städten, die Pfarreien ziemlich ausgedehnt. Deshalb existierte der Brauch, dass jede Familie einen Repräsentanten zur Messe schickte, der sich oft schon einen Tag vorher auf die Reise zu dem Ort machte, an dem sich eine Kirche befand. Nur in wirtschaftlich besser entwickelten Gebieten waren die Pfarreien (oft dank der deutschen Siedler) kleiner.

Die Entwicklung der Kirche in Polen trug zum Bau und zum Umbau vieler Kirchen im gotischen Stil bei. In diesem Zeitraum entstanden große und reich geschmückte Kirchen, wie z.B. die St. Marienkirche und die Wawel-Kathedrale in Krakau, die St. Marienkirche in Danzig und die Kathedralen in Posen, Gnesen und Breslau.

Die polnisch-litauische Union
Litauen war einst ein mächtiges Fürstentum und die Litauer die letzten Heiden in Europa. In den litauischen Ländern gab es stellenweise viele Christianisierungsversuche, sowohl katholische als auch orthodoxe (aus Russland), aber zu dieser Zeit erfolglos.
Im Jahr 1385 kam es zur polnisch-litauischen Union und im März 1886 wurde der litauische Fürst Władysław Jagiełło in Krakau zum polnischen König gekrönt. Bedingung war allerdings seine Taufe, die er ohne Zögern vollziehen ließ.
Jagiełło kehrte nach Litauen zurück, um mit der Christianisierung zu beginnen. Er beschäftigte sich sogar persönlich mit der Übersetzung des „Vater unser” und des „Credos” in die litauische Sprache.
Die Christianisierung Litauens lief ähnlich ab wie in Polen (im 10. und 11. Jahrhundert): Eine Gruppe Geistlicher führte einen kurzen Katechismusunterricht durch, danach folgten Massentaufen im lokalen Fluss. Die Litauer unterwarfen sich ohne Widerstand der Taufe, obwohl sie sich früher lang und stark der Christianisierung durch den Deutschen Orden widersetzt hatten, der mit Feuer und Schwert die Litauer zum christlichen Glauben zwingen wollte.
Im Jahre 1387 wurde die Diözese Vilna, die Gnesen unterstand, gegründet. Durch sie hatte der polnische Primas Einfluss auf die Christianisierung und den Ausbau einer Kirchenstruktur in Litauen. Ähnlich wie in Polen bewirkte diese Art der Christianisierung nur eine sehr oberflächliche persönliche Überzeugung der Menschen. Es überrascht deshalb nicht, dass sich heidnische Praktiken und Mentalität noch sehr lange hielten.
Außerdem hatten die Russen einen großen Einfluss auf Litauen. Die Litauer zogen die orthodoxen Russen oft den katholischen Polen vor.

Auf dem Gebiet des litauisch-polnischen Staates wurde die Mehrzahl der Einwohner katholisch, aber viele waren auch russisch-orthodox, Armenier oder muslimische Tataren.
Auch strömten immer mehr jüdische Flüchtlinge -durch die Kreuzzüge- aus Westeuropa zu. Die Kreuzzüge trugen zum Wachstum des Antisemitismus und Progromen an Juden bei. Im 15. Jahrhundert wurde das polnisch-litauische Land zum größten Sammlungsort für Juden in Europa.

König Władysław Jagiełło, der zur Christianisierung Litauens und russischer Gebiete beitrug, gewann das Wohlwollen Roms. Der Papst ernannte ihn zum päpstlichen Generalvikar für die polnischen und russischen Länder. Der Cousin Jagiełłos -Witold- wurde zum Vikar Litauens.
Trotz allem existierten weiter gewissen Spannungen zwischen dem König und dem Papst.
Jagiełło wünschte sich die Situation, wie sie unter König Kazimierz dem Großen exisitierte, fortzusetzen, nämlich die friedliche Coexistenz der katholischen und der orthodoxen Kirche. Der Papst dagegen strebte danach, sich die Orthodoxen zu unterstellen, was aus verständlichen Gründen viele Spannungen in den russichen Ländern hevorrief. Jagiełło tat praktisch nicht viel, um das Bestreben des Papstes zu unterstützen.

Ein Teil des nordrussischen Gebietes (jetzt Weißrussland), unterstand der Diözese Vilna. Und der südliche Teil, den schon der König Kazimierz der Große an Polen angegliedert hatte (jetzt Ukraine), gehörte der Diözese Kiew an. Diese Diözese hat -bis in die Gegenwart- Einfluss auf die Aufteilung zwischen dem weißrussischen und dem ukrainischen Volk.

Der Deutsche Orden
Im Jahr 1198, während der Kreuzzüge,verlieh der Papst der schon existierenden Bruderschaft den Status des Ritterordens nach dem Muster des Johanniter- und des Templerordens. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts kümmerten sich die polnischen Herzöge um die Christianisierung Preußens, doch ohne Erfolg. Preußen wurde zur Bedrohung für den polnischen Staat, deshalb bat der König den Orden um Hilfe. In den Jahren 1230-1249 nahm der Orden das Gebiet Preußens ein und gründete dort einen Kirchenstaat, der formell ein Teil des Deutschen Reiches wurde. Die Ordensritter christianisierten und germanistierten Preußen. Der Papst erhielt alle Länder, die sich in Besitz der Ordensritter befanden oder durch diese eingenommen wurden, als Eigentum. Er gab dem Orden alle Länder zum Besitz unter der Bedingung, dass sie sich nie einem anderen ergeben.

Die Beziehungen zwischen dem polnischen König und dem Deutschen Orden waren ungewöhnlich schwierig. Der Papst wollte den Orden vor einer zu starken Überlegenheit von Seiten Jagiełłos schützen. Der Orden war nach wie vor an den Gebieten im Norden (Pommern, Litauen) interessiert. Ab dem Jahr 1308 beherrschte der Orden Pommern, während des kujawische Land polnisch blieb. Der Kalischer Frieden (im Jahr 1343) brachte eine gewisse Stabilisierung, aber danach ritten die Kreuzritter auch in das Kujawische Land ein. Die polnisch-litauische Union wurde zu einer politischen Kraft in Europa, mit der man zu rechnen hatte. Das zeigte u.a. die Schlacht von Grunwald,in der die polnisch-litauische Armee den Deutschen Orden besiegte. Dadurch kam Pommern zu Polen.

Im Westen präsentierte sich der Deutsche Orden als die Stütze des Christentums im heidnischen Osten. Die Brüder betrieben im Westen Propaganda gegen den König Jagiełło und gegen die polnisch-litauische Regierung. Sie betonten dabei den Fakt, dass noch überall in diesen Ländern Heiden leben, sowie, dass Freiheit für die Schismatiker bestehe. Auf dem Konzil zu Konstanz drehte sich ein Gerichtsverfahren um das Thema eines satirischen Werkes, in dem die Polen und ihr König Jagiełło als Heiden, Heretiker und „ungläubige Hunde” bezeichnet wurden.
Für die westlichen Länder war es manchmal irreführend, dass Polen forwährend seine nationale Identität betonte, wie getrennt vom Rest der christlichen Welt, aber gleichzeitig beteuerte, dass es ein Teil der lateinischen Kirche sei.

Das Hussitentum
Auf dem Konzil von Konstanz (1416) protestierte die polnische Deligation gegen die Inhaftierung des Jan Hus. Das bewirkte, dass die Polen der Symphatisierung mit den Heretikern beschuldigt wurden. Die Symphatie der Polen mit den Hussitten rührte nicht nur aus theologischen Ansichten, sondern hatte eher politische Ursachen. Die tschechischen Hussiten waren potentielle Mitstreiter Jagiełłies gegen den Deutschen Orden. Jagiełły, der allerdings eine Anklage wegen Förderung der tschechischen „Heretiker” fürchtete, was ihn in der Auseinandersetzung mit dem Deutschen Orden stören könnte, erließ ein Edikt gegen die Hussiten (Edikt Wieluński, Mai 1424). Eine Folge war die Unterbrechung der Handesbeziehungen mit den Hussiten. Als allerdings die Hussiten in Polen einfielen und bis Częstochowa vordrangen, unternahm Jagiełło keine bewaffnete Intervention.
Abgesehen von dem Wieluńskieger Edikt erfreuten sich die Hussiten in Polen einer gewissen Symphatie. Besonders der von den Hussiten unterstrichene nationale Aspekt der Kirche, der sich gegen die zu hohe Einmischung Roms richtete, sprach die Polen an. Für den Adel war das Hussitentum ungemein attraktiv, u.a. deshalb, weil es das Ideal der armen Kirche propagierte.
Der Adel sah darin die Chance, seinen Besitz über den Besitz der Kirche zu vermehren. In diesem Zeitraum kam es oft zu Gerichtsverfahren, in denen die Polen der Symphatie mit den Hussiten beschuldigt und auch dafür bestraft wurden. Oder für hussitische Ansichten und Praktiken, wie z.B. die Austeilung des Abendmahles in zweierlei Gestalt, verbreitet durch die hussistischen Ideen und Literatur. Lange hielt sich der hussistische Einfluss in Polen nicht und verschwand faktisch, als die Hussiten die Schlacht bei Grotniki im Jahre 1439 verloren.

Das geistliche Leben im 14. und 15. Jahrhundert
Im Zeitraum des 13. Jahrhunderts entwickelte sich die Scholastik, eigentlich eine Philosophie, die Glaube und Verstand in Einklang bringen wollte. Die scholastische Methode beruhte auf der Lösung von Problemen mit Hilfe rationaler Argumente „für und wider”. Das Ziel war das intelektuelle Verstehen dessen, was man glaubt. Auf diese Weise wurde die Scholastik zur theologischen Grundlage. Der bedeutenste Theologe dieser Zeit war Thomas von Aquin.
Im 14. Jahrhundert standen jedoch immer mehr Theologen gegen das (theoretische) scholastische Denken auf und unterstrichen die Notwendigkeit von Glauben und Liebe. In diesem Kontext entstand und entwickelte sich der Mystizismus, u.a. in den Klöstern, doch nicht nur dort. In den Niederlanden entstand die Bewegung devotio moderna, was neue Frömmigkeit bedeutet. Es war eine neue Frömmigkeit, besonders beliebt unter den Wohlhabenden und Bürgern. Sie propagierte ein evangelistisches Leben in Armut und Dienst. Diese Bewegung hatte auch großen Einfluss auf die Krakauer Akademie. Aus dem Kreis dieser Bewegung kam Thomas von Kempis (1380-1471), dessen Werk „Über die Nachfolge Christi” sehr berühmt wurde und wurde (und wird) -auch in Polen- für viele als ein geistlicher Leitfaden gelesen.

Immer wichtiger wurde das persönliche geistliche Leben, was in Gebeten außerhalb der Hauptmesse sowie neben den privaten Messen wirkte. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden die Meditation an den Stationen des Kreuzweges sowie das Gebet  mit Hilfe des Rosenkranzes sehr beliebt.
Der Klerus, in der katholischen Theologie der Mittler zwischen Gott und Menschen, fühlte sich von dieser Entwicklung bedroht und befürchtete, dass seine Bedeutung schwinden könnte. Die Kirche fürchtete eine Geringschätzung von Messe und Liturgie, die Gläubigen aber wollten selbstständig und privat beten und ihre Frömmigkeit praktizieren. Es ist der Zeitraum, in dem überall in Europa die Kritik am Papstsystem wuchs. Und auch der Zeitraum, in dem zur Rückkehr zur Heiligen Schrift aufgerufen wurde. Beispiele dafür sind John Wycliff und William Tyndale in England, sowie Jan Hus in Böhmen. Ihre Werke gelangten auch nach Polen, wo sie mit Interesse gelesen wurden.

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