Die Anfänge des Christentums in Polen - Teil 2
Im 12. Jahrhundert besaß die Kirche in den polnischen Ländern eine
gefestigte Position. Die Kirchenstrukturen wurden nach dem Vorbild des Westens
aufgebaut, was eine immer kompliziertere Organisation zur Folge hatte. Auch die
Kirchengerichte wurden immer mächtiger. Die Kirche kontrollierte das gesamte
gesellschaftliche Leben. Das alles führte dazu, dass es ihr sehr gut ging,
besonders materiell.
Orden
Ähnlich wie in ganz Europa, entwickelten sich auch in Polen Orden.
Im Jahre 1200 gab es in Polen um die 70 großen Klöster, im Jahr 1300 waren es
schon 300 (ohne die Stadtklöster und Klöster des Deutschen Ordens in Pommern).
Besonders rasant entwickelten sich die Klöster des Zisterzienserordens. Sie
gewannen zunehmend an Einfluss. Die Zisterzienser gründeten ihre Klöster fern
der Städte und bedienten sich der Arbeit der Bauern. Als Missionare hatten sie
nicht besonders großen Erfolg (ihre Missionierung Pommers gelang nicht), aber
sie waren sehr geschickt in der Administration und Verwaltung und das brachte
ihnen materiellen Erfolg. Die Zisterzienser leisteten einen großen Beitrag zur
ökonomischen Entwicklung, insbesonders auf dem Gebiet des Ackerbaus und der
Gebietsverwaltung.
Das sogenannte Heinrichower Buch (aus dem Jahr 1241), das eine
Liste der Güter des Zisterzienserklosters in Heinrichow enthält, gibt einen
guten Einblick in das ökonomische und gesellschaftliche Leben dieser Zeit.
Ähnlich einflussreich und mächtig wurden die Bettlerordnen, wie die
Dominikaner und Franziskaner, in den polnischen Ländern. Die oben genannten
Orden siedelten sich vor allen Dingen in den Städten an. Ihre starke Seite war
das Predigen, die Leute hörten ihnen gerne zu. Ihre Predigten zeichneten sich
durch eine reiche Sprache aus, enthielten viele Beispiele aus dem Leben. Auf
diese Weise trugen sie zur Schaffung einer neuen religiösen Sprache bei.
Auch die Frauenklöster entwickelten sich dynamisch und waren
außerordentlich beliebt.Das ging soweit, dass es zuviele Kandidaten für das
Ordensleben gab. Fast alle Schwestern waren adelig und kamen gewöhnlich aus
einer höheren gesellschaftlichen Schicht. Der Gang ins Kloster war für sie die
einzige Möglichkeit, um zu studieren und sich zu entwickeln.
Die Kirchengebäude der Bettlerorden waren -im Gegensatz zu anderen
Klöstern- für alle geöffnet. Das Presbyterium der Kirche war ausschließlich den
Ordensbrüdern vorbehalten, während der Rest des Kirchengebäudes für alle
zugänglich war.
Die Bettelorden gerieten oft in Konflikt mit den Pfarrdiözesen.
Hinsichtlich ihrer Popularität unter dem Volk wurden die Klöster des
Bettelordens zur Konkurrenz für die Diözesenpriester der Pfarreien.
Der Ablasskult wurde im 13. Jahrhundert immer beliebter. Auch die Orden
sorgten für die Möglichkeit, durch den Besuch ihrer Kirchen Ablass zu
empfangen, was ihnen zusätzliche Einnahmen einbrachte.
Mit dem Wunsch, Hilfe in christlichem Sinn zu bringen, öffneten die
Bettelorden sogenannte „Spitale”. Sie waren nicht nur ein Ort, um Kranke zu
heilen, sondern wurden auch zu Zufluchtsstätten für Arme und alle anderen, die
der Hilfe bedurften.
Der Heiligenkult
An vielen Orten begann spontan der Heiligenkult. Es entwickelten
sich bestimmte Kulte für verstorbene Ordensgründer oder -vorsteher trotz der
Tatsache, dass ihr Großteil nicht kanonisiert war.
Der Bischof versuchte den Heiligenkult zu kontrollieren, aber
lokale, nicht kanonisierte „Heilige” spielten eine sehr wichtige Rolle im
religiösen Leben der Polen.
Einer der wichtigsten kanonisierten polnischen Heiligen war der
heilige Stanisław. Er besaß eine überregionale Bedeutung. Das Werk Das Leben
des heiligen Stanisław, von dem Dominikaner Vincent von Kielc für die
Kanonisierung geschrieben, war für viele Generationen eine beliebte Lektüre.
Das Werk beweist, dass Stanisław eine bedeutende Figur der polnischen
Geschichte ist.
Stanisław von Szczepanowa (1030-1079) wurde durch den König
Bolesław Szczodry ermordet. Man dachte, dass der sogenannte Zerfall Polens
in Teilherzogtümer (der von 1138 bis 1320 andauerte), in dem Polen in Teile
zerfiel wie die Glieder des geviertelten Stanisławs, die Strafe für die
Ermordung des Bischofs war (und sah damit diese Tag geradezu als frevelhaft
an).
Seine Kanonisierung im Jahre 1253 wurde als ein Akt der Buße für
Polen für die Sünde des polnischen Königs gesehen.
Damit drückte sich die für die Bettelorden typische Hoffnung und
der Optimismus aus, dass Sünde durch Buße gesühnt werden kann.
Um den Kult des heiligen
Stanisławs entwickelte sich ein nationales Bewusstsein, in dem sich
nationale Hoffnung und religiöse Unterwerfung völlig vermischten.
Andere wichtige Heilige dieses Zeitraumes waren z.B. der heilige
Wojciech oder die heilige Jadwiga (Hedwig- die Frau Heinrich des Bärtigen, die
sich im Zisterzienserkloster in Trebnitz (Trzebnica)) verbarg.
Der Reliquenkult
Es begann ein Zeitraum des Massenpilgerns. Früher waren nur Adlige
und Könige zu den Kultstätten der Heiligen gepilgert, um zu büßen oder um
besondere Dinge zu erbitten (z.B. um die Geburt eines Sohnes). Für gewöhnlich
wurden dies Pilgerfahrten zu entfernten „Heiligen”stätten unternommen.
Ab dem 13. Jahrhundert begannen die einfachen Leute, Bürger und
Bauern, auch zu pilgern. Dadurch bekamen die Pilgerfahrten einen völlig neuen Charakter.
Es waren Pilgerfahrten zu lokalen Kultstätten, gewöhnlich zu den Klosterkirchen
der Bettlerorden, an denen irgendein Wunder seinen Platz hatte, das nicht immer
kanonisierten Heiligen zugeschrieben wurde.
Außerdem entwickelte sich ein Reliquenkult, der geradezu wie
magische Amulette behandelt wurde. Die Reliquen wurden bei Prozessionen
getragen mit dem Ziel, sich gegen Not und Unglück zu schützen.
Ein wichtiger Heiliger für die Polen war auch ein tschechischer
Bischof- der heilige Wenzel. Der König Bolesław Chrobry kaufte den Körper
Wenzels von den Preußen und brachte ihn in die Gnesener Kathedrale. Im Jahre
1038, als die Tschechen in Polen einfielen, überführten sie den Körper Wenzels
nach Böhmen, wo er sich -bis heute- in der Veitskathedrale in Prag befindet. Im
Jahre 1127 (während der Herrschaft von Bolesław Krzywousty) wurde verkündet,
dass sich der Kopf des heiligen Wenzels auf übernatürliche Weise in Gnesen
befinde und die Relique wurde feierlich in die Gnesener Kathedrale gelegt.
Im ganzen Land, an vielen Orten, fanden sich immer mehr Reliquen.
Aus dem Verzeichnis des Jahres 1110 geht hervor, dass sich in der Krakauer
Kathedrale vier Kisten mit Reliquen unterschiedlicher Heiliger befanden. Damals
war es normal, mit Reliqen zu handeln und auch sie zu fälschen. Viele Kirchen,
und besonders Kathedralen, fungierten als Mausoleum für die sterblichen
Überreste von Fürsten und „Heiligen” (oft nicht kanonisiert), die des öfteren
Geschenke von Königen anderer Länder waren.
Die Kirche im Leben der Menschen
Die mittelalterliche Kirche war beinahe auf allen Gebieten des
Lebens der Menschen gegenwärtig und regulierte ihre Zeit. Die Kirchenglocken
bestimmten die Tageszeiten und das Gebet (bis ins 15. Jahrhundert existierten
keine menchanischen Uhren) und der Jahreskalender war nach den Kirchenfesten
organisiert.
Im 13. Jahrhundert trat ein großer gesellschaftlicher Wandel ein.
Es entstanden neue Städte, deren Bürger immer öfter frei waren von den
Forderungen des Adels. Die Gesellschaft gewann dadurch eine andere Gestalt.
Im 13. Jahrhundert sah sich der Großteil der Menschen in den
polnischen Ländern selbst als Christen und der heidnische Glaube verschwand
fast völlig aus dem öffentlichen Leben. In der Praxis allerdings vermischten
sich der Glaube und die Praktiken des Christentums mit den heidnischen
Praktiken. Aberglaube und magische Handlungen waren weiterhin sehr gegenwärtig.
Die Zahl der Pfarreien wuchs dynamisch. Im 14. Jahrhundert finden
sie sich sogar in den äußersten Winkeln der polnischen Länder.
Die Pfarreien nahmen einen zentralen Platz in der Gesellschaft ein.
Sie waren Treffpunkte für alle Teile der lokalen Gesellschaft, vom Bauern bis
zum Adel. Und sie regierten das Leben der Menschen von der Geburt bis zum Tod.
Alle wichtigen Ereignisse im Leben (wie z.B. Geburt, Hochzeit und Tod)
begleiteten die entsprechenden Sakramente.
Das IV. Laterankonzil im Jahr 1215 verabschiedete ein Dekret, indem
jeder Christ verpflichtet wurde, jeden Sonntag an der Messe teilzunehmen sowie
wenigstens einmal im Jahr in der eigenen Pfarrei zu beichten (was die Kontrolle
des Klerus über die Gläubigen vergrößerte).
Auf diese Weise wurde jeder vollständig in die Kirche integriert
und das gesellschaftliche Leben spielte sich völlig im Leben der Pfarrei ab.
Alles befand sich unter der Kontrolle des Klerus.
Die Kirche bemühte sich auch um die Kontrolle der Ehe, die nicht
von Anfang an als Sakrament galt, sondern eine private Sache war, die zwischen
den Eltern des jungen Paares geregelt wurde.
Die Kirche begann zu fordern, dass jede Trauung in Gegenwart der
Kirche stattzufinden habe, repräsentiert durch den Priester. Außerdem sollte
der Priester jede geplante Ehe im Blick auf die Übereinstimmung mit dem
kanonischen Recht kontrollieren. Jede anstehende Eheschließung musste eine
angemesse Zeit vorher -vor dem Abschluss- öffentlich bekannt gegeben werden.
In Polen gab es sehr viel Widerstand gegen diese Forderungen und
Neuerungen der Kirche, am meisten unter dem Adel, der sich dagegen bis Ende des
15. Jahrhunderts auflehnte.
Die sonntägliche Messe, die durch einen Priester auf Latein
durchgeführt wurde, wobei er das Gesicht dem Altar zuwandte und den Rücken dem
Volk, war das religiöse Zentrum der lokalen Gemeinschaft. In dieser Zeit gingen
die Menschen sehr selten zur Kommunion (zwei, dreimal im Jahr) aus Angst vor
möglicher Entweihung. Im 13. Jahrhundert wurde das Hochhalten der Hostie
während der Konsekration eingeführt. Ab diesem Moment liefen die Leute von
Kirche zu Kirche. Sie verließen die Messe gleich nach dem Hochhalten der
Hostie, um so oft wie möglich das Hochhalten der Hostie zu sehen. Denn sie
glaubten, der Blick darauf schütze sie vor dem Bösen und sichere Gesundheit und
Erfolg für die kommende Woche.
In heidnischen Religionen war der Totenkult ungemein wichtig. Die
Kirche übernahm diesen Brauch und christianisierte den bestehenden heidnischen
Kult. Friedhöfe wurden zu sakralen Orten, getrennt von Rest der Welt. Oftmals
begann eine Messe mit einer kurzen Prozession über den Friedhof.
Die Christianisierung der polnischen Länder wurde vollendet, aber
Elemente heidnischer Gebräuche wurden oft übernommen.
Erziehung
Die Erziehung befand sich völlig und ausschließlich in den Händen
der Kirche. Es existierten verschiedene Kirchenschulen, die sehr wichtig waren
für die Bildung des Klerus. Die Lektoren dieser Schulen studierten zuvor auf
westlichen Universitäten, wie z.B. im deutschen Köln, in Frankreich oder
Spanien.
Im Jahre 1364 wurde, unter den Bemühungen des Königs Kasimirs des
Großen, durch die Dominikaner die Krakauer Akademie gegründet. Die Hochschule
war vor allem für den Klerus und den Adel bestimmt. Es dominierte das Studium
des Rechtes. Zu Anfang gab es keine theologische Fakultät, weil die Zustimmung
des Papstes fehlte.
Es lassen sich einige Vorzüge dieser Zeit feststellen. In den
Ordensbibliotheken wurden theologische Bücher bevorzugt, während es in den
Bibliotheken der Kathedralen und Kapitelen Rechtsbücher waren, besonders des
kanonischen Rechtes. Für die höchste Schicht des Klerus war das Kirchenrecht
wichtiger als die Theologie.
Die Lehre der Krakauer Akademie befand sich unter starkem Einfluss
der Karlsuniversität in Prag. Der Charakter der Akademie war jedoch viel
kirchlicher als von König Kasimier dem Großen geplant.
Die Krakauer Akademie wurde als eine Lehranstalt für den Klerus und
den Adel gegründet, aber es ist interessant, dass sich die Studenten nicht nur
aus den Söhnen derselben rekrutierten, sondern auch aus Bürgersöhnen und denen
reicher Bauern. Sie kamen aus dem ganzen Land, sowohl aus den Städten als auch
den Dörfern.
Die Kraukauer Akademie war sehr bekannt als Erziehungsstätte für
die Elite des Landes. Hier trafen sich unterschiedliche theologische
Traditionen (verschiedener Orden), sowie Tradionen des Rechts (der Kathedralen
und Kapitele). Dies wirkte sich gut auf die Kirche und die Realisierung einer
inneren Reform aus. Während früher vor allen Dingen die bestehenden Bücher
kopiert wurden, so entstanden jetzt viele neue Werke in Krakau. Dank der
Krakauer Akademie gelangten erstmals polnische christliche Ansichten und Werke
an andere Orte Europas.
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