2015-11-19

Die weitere Entwicklung der Kirche in Polen


Die Anfänge des Christentums in Polen - Teil 2

Im 12. Jahrhundert besaß die Kirche in den polnischen Ländern eine gefestigte Position. Die Kirchenstrukturen wurden nach dem Vorbild des Westens aufgebaut, was eine immer kompliziertere Organisation zur Folge hatte. Auch die Kirchengerichte wurden immer mächtiger. Die Kirche kontrollierte das gesamte gesellschaftliche Leben. Das alles führte dazu, dass es ihr sehr gut ging, besonders materiell.

Orden
Ähnlich wie in ganz Europa, entwickelten sich auch in Polen Orden. Im Jahre 1200 gab es in Polen um die 70 großen Klöster, im Jahr 1300 waren es schon 300 (ohne die Stadtklöster und Klöster des Deutschen Ordens in Pommern). Besonders rasant entwickelten sich die Klöster des Zisterzienserordens. Sie gewannen zunehmend an Einfluss. Die Zisterzienser gründeten ihre Klöster fern der Städte und bedienten sich der Arbeit der Bauern. Als Missionare hatten sie nicht besonders großen Erfolg (ihre Missionierung Pommers gelang nicht), aber sie waren sehr geschickt in der Administration und Verwaltung und das brachte ihnen materiellen Erfolg. Die Zisterzienser leisteten einen großen Beitrag zur ökonomischen Entwicklung, insbesonders auf dem Gebiet des Ackerbaus und der Gebietsverwaltung.
Das sogenannte Heinrichower Buch (aus dem Jahr 1241), das eine Liste der Güter des Zisterzienserklosters in Heinrichow enthält, gibt einen guten Einblick in das ökonomische und gesellschaftliche Leben dieser Zeit.

Ähnlich einflussreich und mächtig wurden die Bettlerordnen, wie die Dominikaner und Franziskaner, in den polnischen Ländern. Die oben genannten Orden siedelten sich vor allen Dingen in den Städten an. Ihre starke Seite war das Predigen, die Leute hörten ihnen gerne zu. Ihre Predigten zeichneten sich durch eine reiche Sprache aus, enthielten viele Beispiele aus dem Leben. Auf diese Weise trugen sie zur Schaffung einer neuen religiösen Sprache bei.

Auch die Frauenklöster entwickelten sich dynamisch und waren außerordentlich beliebt.Das ging soweit, dass es zuviele Kandidaten für das Ordensleben gab. Fast alle Schwestern waren adelig und kamen gewöhnlich aus einer höheren gesellschaftlichen Schicht. Der Gang ins Kloster war für sie die einzige Möglichkeit, um zu studieren und sich zu entwickeln.

Die Kirchengebäude der Bettlerorden waren -im Gegensatz zu anderen Klöstern- für alle geöffnet. Das Presbyterium der Kirche war ausschließlich den Ordensbrüdern vorbehalten, während der Rest des Kirchengebäudes für alle zugänglich war.

Die Bettelorden gerieten oft in Konflikt mit den Pfarrdiözesen. Hinsichtlich ihrer Popularität unter dem Volk wurden die Klöster des Bettelordens zur Konkurrenz für die Diözesenpriester der Pfarreien.

Der Ablasskult wurde im 13. Jahrhundert immer beliebter. Auch die Orden sorgten für die Möglichkeit, durch den Besuch ihrer Kirchen Ablass zu empfangen, was ihnen zusätzliche Einnahmen einbrachte.

Mit dem Wunsch, Hilfe in christlichem Sinn zu bringen, öffneten die Bettelorden sogenannte „Spitale”. Sie waren nicht nur ein Ort, um Kranke zu heilen, sondern wurden auch zu Zufluchtsstätten für Arme und alle anderen, die der Hilfe bedurften.

Der Heiligenkult
An vielen Orten begann spontan der Heiligenkult. Es entwickelten sich bestimmte Kulte für verstorbene Ordensgründer oder -vorsteher trotz der Tatsache, dass ihr Großteil nicht kanonisiert war.
Der Bischof versuchte den Heiligenkult zu kontrollieren, aber lokale, nicht kanonisierte „Heilige” spielten eine sehr wichtige Rolle im religiösen Leben der Polen.

Einer der wichtigsten kanonisierten polnischen Heiligen war der heilige Stanisław. Er besaß eine überregionale Bedeutung. Das Werk Das Leben des heiligen Stanisław, von dem Dominikaner Vincent von Kielc für die Kanonisierung geschrieben, war für viele Generationen eine beliebte Lektüre. Das Werk beweist, dass Stanisław eine bedeutende Figur der polnischen Geschichte ist.
Stanisław von Szczepanowa (1030-1079) wurde durch den König Bolesław Szczodry ermordet. Man dachte, dass der sogenannte Zerfall Polens in Teilherzogtümer (der von 1138 bis 1320 andauerte), in dem Polen in Teile zerfiel wie die Glieder des geviertelten Stanisławs, die Strafe für die Ermordung des Bischofs war (und sah damit diese Tag geradezu als frevelhaft an).
Seine Kanonisierung im Jahre 1253 wurde als ein Akt der Buße für Polen für die Sünde des polnischen Königs gesehen.
Damit drückte sich die für die Bettelorden typische Hoffnung und der Optimismus aus, dass Sünde durch Buße gesühnt werden kann.
Um den Kult des heiligen  Stanisławs entwickelte sich ein nationales Bewusstsein, in dem sich nationale Hoffnung und religiöse Unterwerfung völlig vermischten.

Andere wichtige Heilige dieses Zeitraumes waren z.B. der heilige Wojciech oder die heilige Jadwiga (Hedwig- die Frau Heinrich des Bärtigen, die sich im Zisterzienserkloster in Trebnitz (Trzebnica)) verbarg.

Der Reliquenkult
Es begann ein Zeitraum des Massenpilgerns. Früher waren nur Adlige und Könige zu den Kultstätten der Heiligen gepilgert, um zu büßen oder um besondere Dinge zu erbitten (z.B. um die Geburt eines Sohnes). Für gewöhnlich wurden dies Pilgerfahrten zu entfernten „Heiligen”stätten unternommen.
Ab dem 13. Jahrhundert begannen die einfachen Leute, Bürger und Bauern, auch zu pilgern. Dadurch bekamen die Pilgerfahrten einen völlig neuen Charakter. Es waren Pilgerfahrten zu lokalen Kultstätten, gewöhnlich zu den Klosterkirchen der Bettlerorden, an denen irgendein Wunder seinen Platz hatte, das nicht immer kanonisierten Heiligen zugeschrieben wurde.
Außerdem entwickelte sich ein Reliquenkult, der geradezu wie magische Amulette behandelt wurde. Die Reliquen wurden bei Prozessionen getragen mit dem Ziel, sich gegen Not und Unglück zu schützen.

Ein wichtiger Heiliger für die Polen war auch ein tschechischer Bischof- der heilige Wenzel. Der König Bolesław Chrobry kaufte den Körper Wenzels von den Preußen und brachte ihn in die Gnesener Kathedrale. Im Jahre 1038, als die Tschechen in Polen einfielen, überführten sie den Körper Wenzels nach Böhmen, wo er sich -bis heute- in der Veitskathedrale in Prag befindet. Im Jahre 1127 (während der Herrschaft von Bolesław Krzywousty) wurde verkündet, dass sich der Kopf des heiligen Wenzels auf übernatürliche Weise in Gnesen befinde und die Relique wurde feierlich in die Gnesener Kathedrale gelegt.

Im ganzen Land, an vielen Orten, fanden sich immer mehr Reliquen. Aus dem Verzeichnis des Jahres 1110 geht hervor, dass sich in der Krakauer Kathedrale vier Kisten mit Reliquen unterschiedlicher Heiliger befanden. Damals war es normal, mit Reliqen zu handeln und auch sie zu fälschen. Viele Kirchen, und besonders Kathedralen, fungierten als Mausoleum für die sterblichen Überreste von Fürsten und „Heiligen” (oft nicht kanonisiert), die des öfteren Geschenke von Königen anderer Länder waren.

Die Kirche im Leben der Menschen
Die mittelalterliche Kirche war beinahe auf allen Gebieten des Lebens der Menschen gegenwärtig und regulierte ihre Zeit. Die Kirchenglocken bestimmten die Tageszeiten und das Gebet (bis ins 15. Jahrhundert existierten keine menchanischen Uhren) und der Jahreskalender war nach den Kirchenfesten organisiert.

Im 13. Jahrhundert trat ein großer gesellschaftlicher Wandel ein. Es entstanden neue Städte, deren Bürger immer öfter frei waren von den Forderungen des Adels. Die Gesellschaft gewann dadurch eine andere Gestalt.
Im 13. Jahrhundert sah sich der Großteil der Menschen in den polnischen Ländern selbst als Christen und der heidnische Glaube verschwand fast völlig aus dem öffentlichen Leben. In der Praxis allerdings vermischten sich der Glaube und die Praktiken des Christentums mit den heidnischen Praktiken. Aberglaube und magische Handlungen waren weiterhin sehr gegenwärtig.

Die Zahl der Pfarreien wuchs dynamisch. Im 14. Jahrhundert finden sie sich sogar in den äußersten Winkeln der polnischen Länder.
Die Pfarreien nahmen einen zentralen Platz in der Gesellschaft ein. Sie waren Treffpunkte für alle Teile der lokalen Gesellschaft, vom Bauern bis zum Adel. Und sie regierten das Leben der Menschen von der Geburt bis zum Tod. Alle wichtigen Ereignisse im Leben (wie z.B. Geburt, Hochzeit und Tod) begleiteten die entsprechenden Sakramente.
Das IV. Laterankonzil im Jahr 1215 verabschiedete ein Dekret, indem jeder Christ verpflichtet wurde, jeden Sonntag an der Messe teilzunehmen sowie wenigstens einmal im Jahr in der eigenen Pfarrei zu beichten (was die Kontrolle des Klerus über die Gläubigen vergrößerte).
Auf diese Weise wurde jeder vollständig in die Kirche integriert und das gesellschaftliche Leben spielte sich völlig im Leben der Pfarrei ab. Alles befand sich unter der Kontrolle des Klerus.
Die Kirche bemühte sich auch um die Kontrolle der Ehe, die nicht von Anfang an als Sakrament galt, sondern eine private Sache war, die zwischen den Eltern des jungen Paares geregelt wurde. 
Die Kirche begann zu fordern, dass jede Trauung in Gegenwart der Kirche stattzufinden habe, repräsentiert durch den Priester. Außerdem sollte der Priester jede geplante Ehe im Blick auf die Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht kontrollieren. Jede anstehende Eheschließung musste eine angemesse Zeit vorher -vor dem Abschluss- öffentlich bekannt gegeben werden.
In Polen gab es sehr viel Widerstand gegen diese Forderungen und Neuerungen der Kirche, am meisten unter dem Adel, der sich dagegen bis Ende des 15. Jahrhunderts auflehnte.

Die sonntägliche Messe, die durch einen Priester auf Latein durchgeführt wurde, wobei er das Gesicht dem Altar zuwandte und den Rücken dem Volk, war das religiöse Zentrum der lokalen Gemeinschaft. In dieser Zeit gingen die Menschen sehr selten zur Kommunion (zwei, dreimal im Jahr) aus Angst vor möglicher Entweihung. Im 13. Jahrhundert wurde das Hochhalten der Hostie während der Konsekration eingeführt. Ab diesem Moment liefen die Leute von Kirche zu Kirche. Sie verließen die Messe gleich nach dem Hochhalten der Hostie, um so oft wie möglich das Hochhalten der Hostie zu sehen. Denn sie glaubten, der Blick darauf schütze sie vor dem Bösen und sichere Gesundheit und Erfolg für die kommende Woche.

In heidnischen Religionen war der Totenkult ungemein wichtig. Die Kirche übernahm diesen Brauch und christianisierte den bestehenden heidnischen Kult. Friedhöfe wurden zu sakralen Orten, getrennt von Rest der Welt. Oftmals begann eine Messe mit einer kurzen Prozession über den Friedhof.
Die Christianisierung der polnischen Länder wurde vollendet, aber Elemente heidnischer Gebräuche wurden oft übernommen.

Erziehung
Die Erziehung befand sich völlig und ausschließlich in den Händen der Kirche. Es existierten verschiedene Kirchenschulen, die sehr wichtig waren für die Bildung des Klerus. Die Lektoren dieser Schulen studierten zuvor auf westlichen Universitäten, wie z.B. im deutschen Köln, in Frankreich oder Spanien.

Im Jahre 1364 wurde, unter den Bemühungen des Königs Kasimirs des Großen, durch die Dominikaner die Krakauer Akademie gegründet. Die Hochschule war vor allem für den Klerus und den Adel bestimmt. Es dominierte das Studium des Rechtes. Zu Anfang gab es keine theologische Fakultät, weil die Zustimmung des Papstes fehlte.
Es lassen sich einige Vorzüge dieser Zeit feststellen. In den Ordensbibliotheken wurden theologische Bücher bevorzugt, während es in den Bibliotheken der Kathedralen und Kapitelen Rechtsbücher waren, besonders des kanonischen Rechtes. Für die höchste Schicht des Klerus war das Kirchenrecht wichtiger als die Theologie.

Die Lehre der Krakauer Akademie befand sich unter starkem Einfluss der Karlsuniversität in Prag. Der Charakter der Akademie war jedoch viel kirchlicher als von König Kasimier dem Großen geplant.

Die Krakauer Akademie wurde als eine Lehranstalt für den Klerus und den Adel gegründet, aber es ist interessant, dass sich die Studenten nicht nur aus den Söhnen derselben rekrutierten, sondern auch aus Bürgersöhnen und denen reicher Bauern. Sie kamen aus dem ganzen Land, sowohl aus den Städten als auch den Dörfern.

Die Kraukauer Akademie war sehr bekannt als Erziehungsstätte für die Elite des Landes. Hier trafen sich unterschiedliche theologische Traditionen (verschiedener Orden), sowie Tradionen des Rechts (der Kathedralen und Kapitele). Dies wirkte sich gut auf die Kirche und die Realisierung einer inneren Reform aus. Während früher vor allen Dingen die bestehenden Bücher kopiert wurden, so entstanden jetzt viele neue Werke in Krakau. Dank der Krakauer Akademie gelangten erstmals polnische christliche Ansichten und Werke an andere Orte Europas.

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