2015-11-23

Vor der Reformation in Polen



Anfänge des Christentums in Polen, Teil 4

Krise und Spannungen
Während das 13. Jahrhundert eine Zeit der Blüte und Entwicklung der Kirche war, wurden das 14. und 15. Jahrhundert, sowohl politisch als auch geistlich, zu einer Krisenzeit. Es folgte ein gewaltiger Machtkampf, infolge dessen gleichzeitig zwei Päpste regierten (in Avignon und in Rom in den Jahren 1378-1417). Das Konzil von Konstanz beendete diese Zeit, aber die Spannungen und die Kritik an der Regierung des Papstes legten sich nicht.

Es entwickelte sich der sogenannte Konziliarismus- eine Bewegung, die Reformen innerhalb der Kirche anstrebte, basierend auf den Festlegungen der Konzile von Pilzen (1409), Konstanz (1414-1416) und Basel (1413-1419), welche die Macht des Papstes begrenzten. Der  Konziliarismus sah die Kirche als einen mystischen Körper und achtete darauf, dass der höchste Herrscher der Kirche nicht der Papst, sondern das allgemeine Konzil war. Sie verwarf das theokratisch-monarchistische Modell der päpstlichen Regierung der Kirche. In Polen besaß der Konziliarismus eine große Zahl von Anhängern. Besonders wurde er von der Akademie in Krakau und dem Adel propagiert, genau so wie von vielen Theologen, vor allen Dingen in den Orden, wie z.B. Jakub  von Paradyż, Jakub Kanty und  Zbigniew Oleśnicki.
Diese Strömung,nahe am zukünftigen Demokratismus, war auch für den Adel attraktiv. Dies war u.a. der Grund, warum sich der Adel trotz seines Antiklerikalismus nicht den Husitten anschloß. Mitte des 15. Jahrhunderts allerdings gewann der Papst die Auseinandersetzung und wurde ab diesem Moment zur höchsten Autorität.

Dies ist der Zeitraum, in welchem die reformierten Orden wie die Franziskaner und die Dominikaner auch in Polen aufblühten. Von den Franziskanern stammte die Splittergruppe der sogenannten Bernhardiner, die für viele, besonders für die, die die christliche Berufung ernst nahmen, attraktiv war.

In Polen nahmen die Spannungen zwischen dem Adel und dem Klerus zu. Die Kirche wünschte sich eine entscheidende Rolle in der Regierungspolitik zu spielen. Sie wollte selbst über die Frage der Bischofsnachfolge entscheiden, ohne Beteiligung des Königs (der König war oft in der Lage, seine Kanditaten wirksam durchzusetzen). Die materiell-finanziellen und national-politischen Kircheninteressen vermischten sich immer mehr, wie es in den Annales seu cronicae incliti Regni Poloniae (so ist der volle Name) von Jan Długosz deutlich wird, der anerkannte, dass die Interessen der Regierung auch die Interessen der Kirche sind.
Die Kirche bereicherte sich übermäßig. Besonders die Bistümer Krakau und Gnesen verfügten über große Besitztümer sowie hunderte von Dörfern und Kleinstädten.
Der Gnesener Erzbischof-Primas war der erste Mann in der Kirche und der zweite in der Regierung, gleich nach dem König. Im 15. Jahrhundert war der Primas nach dem Tod des Kaisers bis zur Krönung eines Nachfolgers sein Stellvertreter und besaß das Recht zur Einberufung von Kongresswahlen. Der Erzbischof-Primas hatte auch das Recht, den König zu krönen. In der Praxis war der Krakauer Erzbischof genauso wichtig wie der Gnesener. Ein beträchtlicher Teil der königlichen Ratsmitglieder bestand aus den Bischöfen und dem Klerus der Kirche, was der Kirche einen großen Einfluß auf politische Dinge garantierte. Der König kümmerte sich auch um seine Interessen und kontrollierte faktisch die Wahl der neuen Bischöfe. In Europa nomminierte normalerweise der Papst den nächsten Bischof und es war schwer, sich seiner Wahl entgegenzustellen. Doch in Polen zwang der König ihm oft seinen Willen auf. Außerdem existierte seit der Zeit des Königs Kazimierz des Großen der Brauch, dass der König die freie Stelle des Bischofs vertrat, bis ein neuer feststand.
Für den hohen Klerus wurde es immer wichtiger, Karriere zu machen, was ihm großen materiellen Gewinn sowie Führungspositionen eintrug. Dabei wuchs die Anzahl der Streitigkeiten und der Spannungen zwischen dem Adel und der Geistlichkeit. Immer mehr Konflikte betrafen Besitzangelegenheiten, die Frage der Abgabe des Zehnten an die Kirche und dass sie den Kirchengerichten (deren Urteile durch die Staatsgewalt hätten vollstreckt werden müssen) unterstanden.
Das kanonische Recht spielte eine immer wichtigere Rolle im gesellschaftlichen Leben. Oft stand es im Widerspruch zum königlichen oder zum lokalen Gesetz. Z.B. hatte die Regierung nach dem Recht aus dem 13. Jahrhundert Juden zu schützen, was in dem den Juden erteilen Privileg durch Kazimierz den Großen bestätigt wurde. Jedoch das kanonische Recht sprach sich (ab 1215) gegen die Juden aus. Es wurde formal niemals in Polen aufgenommen (Kłoczowski, Titel? s. 64).
Der Adel verteidigte seine Kolonien gegen den Eingriff des kanonischen Rechtes. Dies rief viele  Konflikte zwischen Adel und Kirche hervor. Die Rechtsgelehrten der Kirche verstanden die Situation und passten das Kirchenrecht oft an die lokale Situation an oder führten einen Kompromiss herbei. Auf diese Weise entstanden Kirchenrechtsbücher speziell für einzelne Diözesen.
Jährlich erging die Aufforderung der Zahlung des Zehnten an den Papst auf Grundlage des Einkommens von den Nutznießern der Kirche, berechnet nach der Größe des Besitzes. Jährlich wurden um die 1000 Geldstrafen eingezogen (das entspricht ca. 20 Dörfern oder 20 000 Scheffeln Getreide).
Außerdem existierte eine zusätzliche persönliche Kirchenabgabe, der sogenannte Peterspfennig, zu dem jeder Einwohner des polnischen Landes verpflichtet war (genau wie in vielen anderen europäischen Ländern). Diese Abgabe war für den Unterhalt der päpstlichen Behörde bestimmt.Oft löste sie Streitigkeiten aus und viele hatten keine Lust, sie zu bezahlen. Viele Diözesen zahlten diese Abgabe nicht und Rom hatte keine Möglichkeit, sie einzuziehen und gab es deshalb oft auf. Ab dem 14. Jahrhundert führte man die Pfarreibuchführung ein, wo festgehalten wurde, wer bezahlte und wer nicht. Trotzdem bezahlte die Mehrheit nicht. So wurden z.B. im Jahr 1340 kaum 40% des Peterspfennigs eingesammelt. Dazu  kam der Ausbau der Administration und Bürokratie in den Kirchenstrukturen. Die Geistlichkeit war nicht völlig frei von der Zahlung staatlicher Abgaben. Auch dies war ein Thema für ständig wiederkehrende Streitigkeiten.

Inquisition
Wie überall in Europa, wirkte auch in Polen die Inquisition zur „Verteidigung der wahren” orthodoxen Kirchenlehre. Anfänglich lag die Inquisition in der Verantwortlichkeit der Bischöfe, die verpflichtet waren, eventuelle Heretiker aufzuspüren und zu verhören. Ab dem Jahr 1231 wurden die Dominikaner mit der Pflicht über die Verurteilung der Heretiker betraut.
Die Tätigkeit der Inquisition begann in Niederschlesien, auf Bitten des Breslauer Bischofs Henryk von Wierzysz ?. Es ist dokumentiert, dass am 12. Juli 1315 in Schweidnitz ca. 50 Waldenser auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Kurz darauf brannten die Scheiterhaufen auch an anderen Orten in Schlesien. Im Jahr 1318 wurde die Papstbulle über die Inquisition in den polnischen Ländern formell eingesetzt.
Ihr anfängliches Ziel war die Suche nach verschiedenen Gruppen, wie den Waldensern und den Geißelbrüdern. Im Vergleich zu anderen Ländern kam es in Polen zu einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Urteilen. Bei genauerer Betrachtung ist dies eher darauf zurückzuführen, dass es im Königreich Polen auch verhältnismäßig wenige „Heretiker” gab. Trotzdem schätzt man, dass in der ersten Dekade der Inquisition um die 200 Menschen zum Tode verurteilt wurden. Ab dem 15. Jahrhundert, als sich in Böhmen die Hussiten im Aufwind befanden, breitete sich die Tätigkeit der Inquisition auf dem Gebiet Polens aus.

Der Charakter der polnischen religiösen Kultur
Im 15. und 16. Jahrhundert drang das Christentums in seiner westlichen Form in alle Schichten der polnischen Gesellschaft vor und bewirkte deren Umgestaltung. Ähnlich wie in ganz Europa war auch in Polen dieser Zeitraum von großem Belang für die Herausbildung einer christlichen „Kultur”.
Dies wird u.a. daran sichtbar, dass zum Ende des 15. Jahrhunderts fast alle ihren Kindern christliche Namen gaben, nur selten traf man einen wirklich heidnischen Namen. Und man muss daran erinnern, dass der gegebene Name bzw. dessen Bedeutung damals viel wichtiger war als heute.
Das heidnische mystische Denken, bestimmte Praktiken und der Aberglaube verschwanden allerdings nicht. Sie wurden nicht, wie es die Bibel verkündigt, verworfen, sondern sickerten in das Christentum ein, was man sogar bis heute beobachten kann. Z.B. existiert eine Art des magischen Denkens wie das „roten Schleifchen” über dem Kinderwagen, das das Kind vor Unglück bewahren soll. Man gibt auch nicht gerne die Hand an der Haustürschwelle, damit es kein Unglück bringt. So leben noch viele andere Aberglauben, die ihre Quelle nicht im christlichem Glauben, sondern in    der heidnischen Mentaltität haben.

Verschiedene alte heidnische Traditionen verschwanden nicht, sondern wurden in christlichem Sinne neu interpretiert. So ersetzte z.B. Weihnachten das heidnische Fest der Winterwendfeier.
Das Abendessen am Heilig Abend hat seine Quelle in dem slawisch-heidnischen Fest für Wohlstand und Wohlbefinden, das in vorchristlicher Zeit in Gemeinschaft mit den Seelen der Verstorbenen gefeiert wurde. Auch andere Feste mischten sich mit heidnischen Traditionen. So enthält z.B. die Johannisnacht, die noch bis heute in Polen gefeiert wird, heidnische Elemente des Feuerkultes. Der Jahreskalender, die Reihenfolge der Feste und Jahreszeiten, die das Leben der Bauern regelten, wurden in Übereinstimmung mit dem christlichen Glauben interpretiert und verändert. Die kirchlichen Feiertage waren wichtig für die Bauern, weil es für sie Ruhetage waren, an denen es nicht erlaubt war, zu arbeiten. Außer den „biblischen” Feiertagen beging man noch sechs Marienfeiern, die ebenfalls arbeitsfrei waren.

Die Bedeutung Marias
Im 12. Jahrhundert tauchten die ersten Ikonen der Muttergottes mit dem Jesuskind in Polen auf. Ikonen spielen in der Ostkirche eine sehr wichtige Rolle. Sie wurden als „Fenster” zum Himmel wahrgenommen, dank derer man realen Kontakt zur himmlischen Sphäre, zu Gott und den Heiligen, haben kann. Im 14. Jahrhundert lebte eine beachtliche Minderheit Orthodoxer in den Ostgebieten Polens, was ohne Zweifel großen Einfluß auf die Entwicklung eines Inkonenkultes im Land hatte.
Im 14. und 15. Jahrhundert wurden Ikonen für die Leute immer wichtiger, besonders die der Muttergottes, die sich ab dem 14. Jahrhundert im Kloster von Jasna Gora befindet.
Die Marienikonen waren wichtige Ziele der Pilger, denn sie antworteten auf den Bedarf nach einem direkten und nahen Kontakt zur himmlischen Welt.

Maria wurde immer bedeutender in der Kirchen- und Volksfrömmigkeit. Die Leute wollten das Leben Jesu sowie das Seiner Mutter bis ins Detail kennenlernen. Wenn die gesuchten Einzelheiten nicht in den Evangelien zu finden waren, suchten sie sie in der Tradition und gebrauchten, wenn nötig, ihre Vorstellungen (Kłoczowski Titel? 79). Werke wie z.B. „Das Leben des Herrn Jesus Christus”, die detallierte Beschreibungen enthielten, waren im 15. Jahrhundert sehr beliebt.
Die heilige Familie wurde ein Teil der Volksfrömmigkeit. Sie  wurde mit der Dreieinigkeit verknüpft und vermischt. Aber die andere Seite der heiligen Familie war auch sehr volksnah und fungierte als ein konkretes Vorbild für das tägliche Leben.

Orden
In diesem Zeitraum wurde der christliche Glaube für eine größere Gruppe zu einer Sache der Überzeugung. Dies kann auf das Missionswerk der Franziskaner und Dominikaner zurückgeführt werden. Interessant ist der Fakt, dass die Bettelorden nicht predigten, mit Strafe und Hölle drohten,  sondern vielmehr mit positiven Argumenten versuchten, die Hörer von einer Lebensänderung zu überzeugen. Sie hatten einen großen Anteil an der Entwicklung des christlichen Lebens. Sie bestritten die Idee, dass man nur innerhalb der Klostermauern ein wahres christliches Leben führen kann.

Schlussfolgerung
Am Anfang wurde das Christentum den Menschen in Polen, oft unter Zwang, aufgedrängt. Die Kirche fungierte wie ein politisches Institut und auch wie ein ökonomischer Staat. Für die Mehrheit war der Glaube keine Herzensüberzeugung, sondern eine äußerliche, gesellschaftliche Sache. Lange überlebten dadurch viele heidnische Traditionen in irgendeiner Form. Diese Situation ermöglichte, dass sich der Klerus bereicherte und seine Position skrupellos missbrauchte. Zwischen dem König, dem Adel und der Kirche kam es zu Spannungen. Das widerum führte zu einer sehr antiklerikalen Einstellung des Adels, der fortwährend für sein Recht und seine Unabhängigkeit von der Kirche kämpfte.
Ab dem 13. Jahrhundert lässt sich eine Veränderung beobachten. Kritische Störmungen traten auf, riefen zu Reformen und der Rückkehr zur Quelle des Glaubens bzw. zur Offenbarung Gottes auf. Nicht ohne Bedeutung war auch der Einfluss der Bettelorden, die das praktische Christentum näher auf das tägliche Leben übertrugen.

2015-11-21

Die Entwicklung der Kirche im 14. und 15. Jahrhundert

Anfänge des Christentums in Polen, Teil 3

Zu Ende des 13. Jahrhunderts wurde die Christianisierung der polnischen Länder vollendet und Polen wurde zu einem Land mit einem einheitlichen Bekenntnis. Die Zahl der Pfarreien in den polnischen Ländern, in den Grenzen dieser Zeit (also einschließlich Schlesiens, Pommerns und Preußens, aber ohne Litauen und der Ukraine), verdoppelte sich. Im Jahr 1300 gab es 3000 Pfarreien und zu Beginn des 16. Jahrhunderts  -schon 6000. Im Laufe der nächsten Jahrhunderte änderte sich die Anzahl der Pfarreien nicht mehr.

Die polnischen Pfarreien zeichneten sich durch ihre Größe aus, sie umfassten oft sogar einige Dutzend Dörfer. Eine völlig andere Situation als in Westeuropa, wo fast jedes Dorf seine eigene Pfarrei hatte. Dies war ein Modell, das auch die orthodoxe Kirche im Osten als Ideal ansah.
Doch in Polen waren, abgesehen von den Städten, die Pfarreien ziemlich ausgedehnt. Deshalb existierte der Brauch, dass jede Familie einen Repräsentanten zur Messe schickte, der sich oft schon einen Tag vorher auf die Reise zu dem Ort machte, an dem sich eine Kirche befand. Nur in wirtschaftlich besser entwickelten Gebieten waren die Pfarreien (oft dank der deutschen Siedler) kleiner.

Die Entwicklung der Kirche in Polen trug zum Bau und zum Umbau vieler Kirchen im gotischen Stil bei. In diesem Zeitraum entstanden große und reich geschmückte Kirchen, wie z.B. die St. Marienkirche und die Wawel-Kathedrale in Krakau, die St. Marienkirche in Danzig und die Kathedralen in Posen, Gnesen und Breslau.

Die polnisch-litauische Union
Litauen war einst ein mächtiges Fürstentum und die Litauer die letzten Heiden in Europa. In den litauischen Ländern gab es stellenweise viele Christianisierungsversuche, sowohl katholische als auch orthodoxe (aus Russland), aber zu dieser Zeit erfolglos.
Im Jahr 1385 kam es zur polnisch-litauischen Union und im März 1886 wurde der litauische Fürst Władysław Jagiełło in Krakau zum polnischen König gekrönt. Bedingung war allerdings seine Taufe, die er ohne Zögern vollziehen ließ.
Jagiełło kehrte nach Litauen zurück, um mit der Christianisierung zu beginnen. Er beschäftigte sich sogar persönlich mit der Übersetzung des „Vater unser” und des „Credos” in die litauische Sprache.
Die Christianisierung Litauens lief ähnlich ab wie in Polen (im 10. und 11. Jahrhundert): Eine Gruppe Geistlicher führte einen kurzen Katechismusunterricht durch, danach folgten Massentaufen im lokalen Fluss. Die Litauer unterwarfen sich ohne Widerstand der Taufe, obwohl sie sich früher lang und stark der Christianisierung durch den Deutschen Orden widersetzt hatten, der mit Feuer und Schwert die Litauer zum christlichen Glauben zwingen wollte.
Im Jahre 1387 wurde die Diözese Vilna, die Gnesen unterstand, gegründet. Durch sie hatte der polnische Primas Einfluss auf die Christianisierung und den Ausbau einer Kirchenstruktur in Litauen. Ähnlich wie in Polen bewirkte diese Art der Christianisierung nur eine sehr oberflächliche persönliche Überzeugung der Menschen. Es überrascht deshalb nicht, dass sich heidnische Praktiken und Mentalität noch sehr lange hielten.
Außerdem hatten die Russen einen großen Einfluss auf Litauen. Die Litauer zogen die orthodoxen Russen oft den katholischen Polen vor.

Auf dem Gebiet des litauisch-polnischen Staates wurde die Mehrzahl der Einwohner katholisch, aber viele waren auch russisch-orthodox, Armenier oder muslimische Tataren.
Auch strömten immer mehr jüdische Flüchtlinge -durch die Kreuzzüge- aus Westeuropa zu. Die Kreuzzüge trugen zum Wachstum des Antisemitismus und Progromen an Juden bei. Im 15. Jahrhundert wurde das polnisch-litauische Land zum größten Sammlungsort für Juden in Europa.

König Władysław Jagiełło, der zur Christianisierung Litauens und russischer Gebiete beitrug, gewann das Wohlwollen Roms. Der Papst ernannte ihn zum päpstlichen Generalvikar für die polnischen und russischen Länder. Der Cousin Jagiełłos -Witold- wurde zum Vikar Litauens.
Trotz allem existierten weiter gewissen Spannungen zwischen dem König und dem Papst.
Jagiełło wünschte sich die Situation, wie sie unter König Kazimierz dem Großen exisitierte, fortzusetzen, nämlich die friedliche Coexistenz der katholischen und der orthodoxen Kirche. Der Papst dagegen strebte danach, sich die Orthodoxen zu unterstellen, was aus verständlichen Gründen viele Spannungen in den russichen Ländern hevorrief. Jagiełło tat praktisch nicht viel, um das Bestreben des Papstes zu unterstützen.

Ein Teil des nordrussischen Gebietes (jetzt Weißrussland), unterstand der Diözese Vilna. Und der südliche Teil, den schon der König Kazimierz der Große an Polen angegliedert hatte (jetzt Ukraine), gehörte der Diözese Kiew an. Diese Diözese hat -bis in die Gegenwart- Einfluss auf die Aufteilung zwischen dem weißrussischen und dem ukrainischen Volk.

Der Deutsche Orden
Im Jahr 1198, während der Kreuzzüge,verlieh der Papst der schon existierenden Bruderschaft den Status des Ritterordens nach dem Muster des Johanniter- und des Templerordens. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts kümmerten sich die polnischen Herzöge um die Christianisierung Preußens, doch ohne Erfolg. Preußen wurde zur Bedrohung für den polnischen Staat, deshalb bat der König den Orden um Hilfe. In den Jahren 1230-1249 nahm der Orden das Gebiet Preußens ein und gründete dort einen Kirchenstaat, der formell ein Teil des Deutschen Reiches wurde. Die Ordensritter christianisierten und germanistierten Preußen. Der Papst erhielt alle Länder, die sich in Besitz der Ordensritter befanden oder durch diese eingenommen wurden, als Eigentum. Er gab dem Orden alle Länder zum Besitz unter der Bedingung, dass sie sich nie einem anderen ergeben.

Die Beziehungen zwischen dem polnischen König und dem Deutschen Orden waren ungewöhnlich schwierig. Der Papst wollte den Orden vor einer zu starken Überlegenheit von Seiten Jagiełłos schützen. Der Orden war nach wie vor an den Gebieten im Norden (Pommern, Litauen) interessiert. Ab dem Jahr 1308 beherrschte der Orden Pommern, während des kujawische Land polnisch blieb. Der Kalischer Frieden (im Jahr 1343) brachte eine gewisse Stabilisierung, aber danach ritten die Kreuzritter auch in das Kujawische Land ein. Die polnisch-litauische Union wurde zu einer politischen Kraft in Europa, mit der man zu rechnen hatte. Das zeigte u.a. die Schlacht von Grunwald,in der die polnisch-litauische Armee den Deutschen Orden besiegte. Dadurch kam Pommern zu Polen.

Im Westen präsentierte sich der Deutsche Orden als die Stütze des Christentums im heidnischen Osten. Die Brüder betrieben im Westen Propaganda gegen den König Jagiełło und gegen die polnisch-litauische Regierung. Sie betonten dabei den Fakt, dass noch überall in diesen Ländern Heiden leben, sowie, dass Freiheit für die Schismatiker bestehe. Auf dem Konzil zu Konstanz drehte sich ein Gerichtsverfahren um das Thema eines satirischen Werkes, in dem die Polen und ihr König Jagiełło als Heiden, Heretiker und „ungläubige Hunde” bezeichnet wurden.
Für die westlichen Länder war es manchmal irreführend, dass Polen forwährend seine nationale Identität betonte, wie getrennt vom Rest der christlichen Welt, aber gleichzeitig beteuerte, dass es ein Teil der lateinischen Kirche sei.

Das Hussitentum
Auf dem Konzil von Konstanz (1416) protestierte die polnische Deligation gegen die Inhaftierung des Jan Hus. Das bewirkte, dass die Polen der Symphatisierung mit den Heretikern beschuldigt wurden. Die Symphatie der Polen mit den Hussitten rührte nicht nur aus theologischen Ansichten, sondern hatte eher politische Ursachen. Die tschechischen Hussiten waren potentielle Mitstreiter Jagiełłies gegen den Deutschen Orden. Jagiełły, der allerdings eine Anklage wegen Förderung der tschechischen „Heretiker” fürchtete, was ihn in der Auseinandersetzung mit dem Deutschen Orden stören könnte, erließ ein Edikt gegen die Hussiten (Edikt Wieluński, Mai 1424). Eine Folge war die Unterbrechung der Handesbeziehungen mit den Hussiten. Als allerdings die Hussiten in Polen einfielen und bis Częstochowa vordrangen, unternahm Jagiełło keine bewaffnete Intervention.
Abgesehen von dem Wieluńskieger Edikt erfreuten sich die Hussiten in Polen einer gewissen Symphatie. Besonders der von den Hussiten unterstrichene nationale Aspekt der Kirche, der sich gegen die zu hohe Einmischung Roms richtete, sprach die Polen an. Für den Adel war das Hussitentum ungemein attraktiv, u.a. deshalb, weil es das Ideal der armen Kirche propagierte.
Der Adel sah darin die Chance, seinen Besitz über den Besitz der Kirche zu vermehren. In diesem Zeitraum kam es oft zu Gerichtsverfahren, in denen die Polen der Symphatie mit den Hussiten beschuldigt und auch dafür bestraft wurden. Oder für hussitische Ansichten und Praktiken, wie z.B. die Austeilung des Abendmahles in zweierlei Gestalt, verbreitet durch die hussistischen Ideen und Literatur. Lange hielt sich der hussistische Einfluss in Polen nicht und verschwand faktisch, als die Hussiten die Schlacht bei Grotniki im Jahre 1439 verloren.

Das geistliche Leben im 14. und 15. Jahrhundert
Im Zeitraum des 13. Jahrhunderts entwickelte sich die Scholastik, eigentlich eine Philosophie, die Glaube und Verstand in Einklang bringen wollte. Die scholastische Methode beruhte auf der Lösung von Problemen mit Hilfe rationaler Argumente „für und wider”. Das Ziel war das intelektuelle Verstehen dessen, was man glaubt. Auf diese Weise wurde die Scholastik zur theologischen Grundlage. Der bedeutenste Theologe dieser Zeit war Thomas von Aquin.
Im 14. Jahrhundert standen jedoch immer mehr Theologen gegen das (theoretische) scholastische Denken auf und unterstrichen die Notwendigkeit von Glauben und Liebe. In diesem Kontext entstand und entwickelte sich der Mystizismus, u.a. in den Klöstern, doch nicht nur dort. In den Niederlanden entstand die Bewegung devotio moderna, was neue Frömmigkeit bedeutet. Es war eine neue Frömmigkeit, besonders beliebt unter den Wohlhabenden und Bürgern. Sie propagierte ein evangelistisches Leben in Armut und Dienst. Diese Bewegung hatte auch großen Einfluss auf die Krakauer Akademie. Aus dem Kreis dieser Bewegung kam Thomas von Kempis (1380-1471), dessen Werk „Über die Nachfolge Christi” sehr berühmt wurde und wurde (und wird) -auch in Polen- für viele als ein geistlicher Leitfaden gelesen.

Immer wichtiger wurde das persönliche geistliche Leben, was in Gebeten außerhalb der Hauptmesse sowie neben den privaten Messen wirkte. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurden die Meditation an den Stationen des Kreuzweges sowie das Gebet  mit Hilfe des Rosenkranzes sehr beliebt.
Der Klerus, in der katholischen Theologie der Mittler zwischen Gott und Menschen, fühlte sich von dieser Entwicklung bedroht und befürchtete, dass seine Bedeutung schwinden könnte. Die Kirche fürchtete eine Geringschätzung von Messe und Liturgie, die Gläubigen aber wollten selbstständig und privat beten und ihre Frömmigkeit praktizieren. Es ist der Zeitraum, in dem überall in Europa die Kritik am Papstsystem wuchs. Und auch der Zeitraum, in dem zur Rückkehr zur Heiligen Schrift aufgerufen wurde. Beispiele dafür sind John Wycliff und William Tyndale in England, sowie Jan Hus in Böhmen. Ihre Werke gelangten auch nach Polen, wo sie mit Interesse gelesen wurden.

2015-11-19

Die weitere Entwicklung der Kirche in Polen


Die Anfänge des Christentums in Polen - Teil 2

Im 12. Jahrhundert besaß die Kirche in den polnischen Ländern eine gefestigte Position. Die Kirchenstrukturen wurden nach dem Vorbild des Westens aufgebaut, was eine immer kompliziertere Organisation zur Folge hatte. Auch die Kirchengerichte wurden immer mächtiger. Die Kirche kontrollierte das gesamte gesellschaftliche Leben. Das alles führte dazu, dass es ihr sehr gut ging, besonders materiell.

Orden
Ähnlich wie in ganz Europa, entwickelten sich auch in Polen Orden. Im Jahre 1200 gab es in Polen um die 70 großen Klöster, im Jahr 1300 waren es schon 300 (ohne die Stadtklöster und Klöster des Deutschen Ordens in Pommern). Besonders rasant entwickelten sich die Klöster des Zisterzienserordens. Sie gewannen zunehmend an Einfluss. Die Zisterzienser gründeten ihre Klöster fern der Städte und bedienten sich der Arbeit der Bauern. Als Missionare hatten sie nicht besonders großen Erfolg (ihre Missionierung Pommers gelang nicht), aber sie waren sehr geschickt in der Administration und Verwaltung und das brachte ihnen materiellen Erfolg. Die Zisterzienser leisteten einen großen Beitrag zur ökonomischen Entwicklung, insbesonders auf dem Gebiet des Ackerbaus und der Gebietsverwaltung.
Das sogenannte Heinrichower Buch (aus dem Jahr 1241), das eine Liste der Güter des Zisterzienserklosters in Heinrichow enthält, gibt einen guten Einblick in das ökonomische und gesellschaftliche Leben dieser Zeit.

Ähnlich einflussreich und mächtig wurden die Bettlerordnen, wie die Dominikaner und Franziskaner, in den polnischen Ländern. Die oben genannten Orden siedelten sich vor allen Dingen in den Städten an. Ihre starke Seite war das Predigen, die Leute hörten ihnen gerne zu. Ihre Predigten zeichneten sich durch eine reiche Sprache aus, enthielten viele Beispiele aus dem Leben. Auf diese Weise trugen sie zur Schaffung einer neuen religiösen Sprache bei.

Auch die Frauenklöster entwickelten sich dynamisch und waren außerordentlich beliebt.Das ging soweit, dass es zuviele Kandidaten für das Ordensleben gab. Fast alle Schwestern waren adelig und kamen gewöhnlich aus einer höheren gesellschaftlichen Schicht. Der Gang ins Kloster war für sie die einzige Möglichkeit, um zu studieren und sich zu entwickeln.

Die Kirchengebäude der Bettlerorden waren -im Gegensatz zu anderen Klöstern- für alle geöffnet. Das Presbyterium der Kirche war ausschließlich den Ordensbrüdern vorbehalten, während der Rest des Kirchengebäudes für alle zugänglich war.

Die Bettelorden gerieten oft in Konflikt mit den Pfarrdiözesen. Hinsichtlich ihrer Popularität unter dem Volk wurden die Klöster des Bettelordens zur Konkurrenz für die Diözesenpriester der Pfarreien.

Der Ablasskult wurde im 13. Jahrhundert immer beliebter. Auch die Orden sorgten für die Möglichkeit, durch den Besuch ihrer Kirchen Ablass zu empfangen, was ihnen zusätzliche Einnahmen einbrachte.

Mit dem Wunsch, Hilfe in christlichem Sinn zu bringen, öffneten die Bettelorden sogenannte „Spitale”. Sie waren nicht nur ein Ort, um Kranke zu heilen, sondern wurden auch zu Zufluchtsstätten für Arme und alle anderen, die der Hilfe bedurften.

Der Heiligenkult
An vielen Orten begann spontan der Heiligenkult. Es entwickelten sich bestimmte Kulte für verstorbene Ordensgründer oder -vorsteher trotz der Tatsache, dass ihr Großteil nicht kanonisiert war.
Der Bischof versuchte den Heiligenkult zu kontrollieren, aber lokale, nicht kanonisierte „Heilige” spielten eine sehr wichtige Rolle im religiösen Leben der Polen.

Einer der wichtigsten kanonisierten polnischen Heiligen war der heilige Stanisław. Er besaß eine überregionale Bedeutung. Das Werk Das Leben des heiligen Stanisław, von dem Dominikaner Vincent von Kielc für die Kanonisierung geschrieben, war für viele Generationen eine beliebte Lektüre. Das Werk beweist, dass Stanisław eine bedeutende Figur der polnischen Geschichte ist.
Stanisław von Szczepanowa (1030-1079) wurde durch den König Bolesław Szczodry ermordet. Man dachte, dass der sogenannte Zerfall Polens in Teilherzogtümer (der von 1138 bis 1320 andauerte), in dem Polen in Teile zerfiel wie die Glieder des geviertelten Stanisławs, die Strafe für die Ermordung des Bischofs war (und sah damit diese Tag geradezu als frevelhaft an).
Seine Kanonisierung im Jahre 1253 wurde als ein Akt der Buße für Polen für die Sünde des polnischen Königs gesehen.
Damit drückte sich die für die Bettelorden typische Hoffnung und der Optimismus aus, dass Sünde durch Buße gesühnt werden kann.
Um den Kult des heiligen  Stanisławs entwickelte sich ein nationales Bewusstsein, in dem sich nationale Hoffnung und religiöse Unterwerfung völlig vermischten.

Andere wichtige Heilige dieses Zeitraumes waren z.B. der heilige Wojciech oder die heilige Jadwiga (Hedwig- die Frau Heinrich des Bärtigen, die sich im Zisterzienserkloster in Trebnitz (Trzebnica)) verbarg.

Der Reliquenkult
Es begann ein Zeitraum des Massenpilgerns. Früher waren nur Adlige und Könige zu den Kultstätten der Heiligen gepilgert, um zu büßen oder um besondere Dinge zu erbitten (z.B. um die Geburt eines Sohnes). Für gewöhnlich wurden dies Pilgerfahrten zu entfernten „Heiligen”stätten unternommen.
Ab dem 13. Jahrhundert begannen die einfachen Leute, Bürger und Bauern, auch zu pilgern. Dadurch bekamen die Pilgerfahrten einen völlig neuen Charakter. Es waren Pilgerfahrten zu lokalen Kultstätten, gewöhnlich zu den Klosterkirchen der Bettlerorden, an denen irgendein Wunder seinen Platz hatte, das nicht immer kanonisierten Heiligen zugeschrieben wurde.
Außerdem entwickelte sich ein Reliquenkult, der geradezu wie magische Amulette behandelt wurde. Die Reliquen wurden bei Prozessionen getragen mit dem Ziel, sich gegen Not und Unglück zu schützen.

Ein wichtiger Heiliger für die Polen war auch ein tschechischer Bischof- der heilige Wenzel. Der König Bolesław Chrobry kaufte den Körper Wenzels von den Preußen und brachte ihn in die Gnesener Kathedrale. Im Jahre 1038, als die Tschechen in Polen einfielen, überführten sie den Körper Wenzels nach Böhmen, wo er sich -bis heute- in der Veitskathedrale in Prag befindet. Im Jahre 1127 (während der Herrschaft von Bolesław Krzywousty) wurde verkündet, dass sich der Kopf des heiligen Wenzels auf übernatürliche Weise in Gnesen befinde und die Relique wurde feierlich in die Gnesener Kathedrale gelegt.

Im ganzen Land, an vielen Orten, fanden sich immer mehr Reliquen. Aus dem Verzeichnis des Jahres 1110 geht hervor, dass sich in der Krakauer Kathedrale vier Kisten mit Reliquen unterschiedlicher Heiliger befanden. Damals war es normal, mit Reliqen zu handeln und auch sie zu fälschen. Viele Kirchen, und besonders Kathedralen, fungierten als Mausoleum für die sterblichen Überreste von Fürsten und „Heiligen” (oft nicht kanonisiert), die des öfteren Geschenke von Königen anderer Länder waren.

Die Kirche im Leben der Menschen
Die mittelalterliche Kirche war beinahe auf allen Gebieten des Lebens der Menschen gegenwärtig und regulierte ihre Zeit. Die Kirchenglocken bestimmten die Tageszeiten und das Gebet (bis ins 15. Jahrhundert existierten keine menchanischen Uhren) und der Jahreskalender war nach den Kirchenfesten organisiert.

Im 13. Jahrhundert trat ein großer gesellschaftlicher Wandel ein. Es entstanden neue Städte, deren Bürger immer öfter frei waren von den Forderungen des Adels. Die Gesellschaft gewann dadurch eine andere Gestalt.
Im 13. Jahrhundert sah sich der Großteil der Menschen in den polnischen Ländern selbst als Christen und der heidnische Glaube verschwand fast völlig aus dem öffentlichen Leben. In der Praxis allerdings vermischten sich der Glaube und die Praktiken des Christentums mit den heidnischen Praktiken. Aberglaube und magische Handlungen waren weiterhin sehr gegenwärtig.

Die Zahl der Pfarreien wuchs dynamisch. Im 14. Jahrhundert finden sie sich sogar in den äußersten Winkeln der polnischen Länder.
Die Pfarreien nahmen einen zentralen Platz in der Gesellschaft ein. Sie waren Treffpunkte für alle Teile der lokalen Gesellschaft, vom Bauern bis zum Adel. Und sie regierten das Leben der Menschen von der Geburt bis zum Tod. Alle wichtigen Ereignisse im Leben (wie z.B. Geburt, Hochzeit und Tod) begleiteten die entsprechenden Sakramente.
Das IV. Laterankonzil im Jahr 1215 verabschiedete ein Dekret, indem jeder Christ verpflichtet wurde, jeden Sonntag an der Messe teilzunehmen sowie wenigstens einmal im Jahr in der eigenen Pfarrei zu beichten (was die Kontrolle des Klerus über die Gläubigen vergrößerte).
Auf diese Weise wurde jeder vollständig in die Kirche integriert und das gesellschaftliche Leben spielte sich völlig im Leben der Pfarrei ab. Alles befand sich unter der Kontrolle des Klerus.
Die Kirche bemühte sich auch um die Kontrolle der Ehe, die nicht von Anfang an als Sakrament galt, sondern eine private Sache war, die zwischen den Eltern des jungen Paares geregelt wurde. 
Die Kirche begann zu fordern, dass jede Trauung in Gegenwart der Kirche stattzufinden habe, repräsentiert durch den Priester. Außerdem sollte der Priester jede geplante Ehe im Blick auf die Übereinstimmung mit dem kanonischen Recht kontrollieren. Jede anstehende Eheschließung musste eine angemesse Zeit vorher -vor dem Abschluss- öffentlich bekannt gegeben werden.
In Polen gab es sehr viel Widerstand gegen diese Forderungen und Neuerungen der Kirche, am meisten unter dem Adel, der sich dagegen bis Ende des 15. Jahrhunderts auflehnte.

Die sonntägliche Messe, die durch einen Priester auf Latein durchgeführt wurde, wobei er das Gesicht dem Altar zuwandte und den Rücken dem Volk, war das religiöse Zentrum der lokalen Gemeinschaft. In dieser Zeit gingen die Menschen sehr selten zur Kommunion (zwei, dreimal im Jahr) aus Angst vor möglicher Entweihung. Im 13. Jahrhundert wurde das Hochhalten der Hostie während der Konsekration eingeführt. Ab diesem Moment liefen die Leute von Kirche zu Kirche. Sie verließen die Messe gleich nach dem Hochhalten der Hostie, um so oft wie möglich das Hochhalten der Hostie zu sehen. Denn sie glaubten, der Blick darauf schütze sie vor dem Bösen und sichere Gesundheit und Erfolg für die kommende Woche.

In heidnischen Religionen war der Totenkult ungemein wichtig. Die Kirche übernahm diesen Brauch und christianisierte den bestehenden heidnischen Kult. Friedhöfe wurden zu sakralen Orten, getrennt von Rest der Welt. Oftmals begann eine Messe mit einer kurzen Prozession über den Friedhof.
Die Christianisierung der polnischen Länder wurde vollendet, aber Elemente heidnischer Gebräuche wurden oft übernommen.

Erziehung
Die Erziehung befand sich völlig und ausschließlich in den Händen der Kirche. Es existierten verschiedene Kirchenschulen, die sehr wichtig waren für die Bildung des Klerus. Die Lektoren dieser Schulen studierten zuvor auf westlichen Universitäten, wie z.B. im deutschen Köln, in Frankreich oder Spanien.

Im Jahre 1364 wurde, unter den Bemühungen des Königs Kasimirs des Großen, durch die Dominikaner die Krakauer Akademie gegründet. Die Hochschule war vor allem für den Klerus und den Adel bestimmt. Es dominierte das Studium des Rechtes. Zu Anfang gab es keine theologische Fakultät, weil die Zustimmung des Papstes fehlte.
Es lassen sich einige Vorzüge dieser Zeit feststellen. In den Ordensbibliotheken wurden theologische Bücher bevorzugt, während es in den Bibliotheken der Kathedralen und Kapitelen Rechtsbücher waren, besonders des kanonischen Rechtes. Für die höchste Schicht des Klerus war das Kirchenrecht wichtiger als die Theologie.

Die Lehre der Krakauer Akademie befand sich unter starkem Einfluss der Karlsuniversität in Prag. Der Charakter der Akademie war jedoch viel kirchlicher als von König Kasimier dem Großen geplant.

Die Krakauer Akademie wurde als eine Lehranstalt für den Klerus und den Adel gegründet, aber es ist interessant, dass sich die Studenten nicht nur aus den Söhnen derselben rekrutierten, sondern auch aus Bürgersöhnen und denen reicher Bauern. Sie kamen aus dem ganzen Land, sowohl aus den Städten als auch den Dörfern.

Die Kraukauer Akademie war sehr bekannt als Erziehungsstätte für die Elite des Landes. Hier trafen sich unterschiedliche theologische Traditionen (verschiedener Orden), sowie Tradionen des Rechts (der Kathedralen und Kapitele). Dies wirkte sich gut auf die Kirche und die Realisierung einer inneren Reform aus. Während früher vor allen Dingen die bestehenden Bücher kopiert wurden, so entstanden jetzt viele neue Werke in Krakau. Dank der Krakauer Akademie gelangten erstmals polnische christliche Ansichten und Werke an andere Orte Europas.

2015-11-17

Die Anfänge des Christentums in Polen


Teil 1
 
Mit diesem Artikel beginnen wir einen neuen thematischen Zyklus, in dessen Verlauf wir verschiedene Aspekte der Reformationsgeschichte auf dem polnischen Gebiet betrachten.
Unten stehender Artikel stellt die Anfänge der Kirche in Polen vor, beginnend mit der sogenannten Taufe Polens.

Die Taufe Polens
Mieszko I, der ab dem Jahre 960 regierte, gilt als der Schöpfer des polnischen Staates. Im Jahre 966 empfing er die Taufe (vermutlich in Ostrów Lednicki oder in Gnesen). Dies galt zugleich als die symbolische Taufe Polens. Die Taufe Mieszkos hatte vor allen Dingen eine politische Bedeutung. Er sah darin die Chance, seine Position und die Einheit des Volkes zu stärken. Er fühlte sich vom Westen und vom Osten bedroht. Als christlicher Fürst wurde er zu einem realen Partner für die anderen Herrscher Europas, würdig, um Handelsverträge und Militärbündnisse abzuschließen. Außerdem benötigte Mieszko innere Stabilität. Eine einheitliche, das ganze Land umfassende Religion würde die Position der Regierung stärken.

Es galt jetzt, das Volk zu christianisieren. Wahrscheinlich zum Jahreswechsel 967/ 968, wurde mit dem Ziel der Missionierung Polens der erste polnische Bischof, Jordan, berufen (unbekannter Herkunft, gest. im Jahre 982). Mit ihm kamen andere Geistliche, um die Menschen in der neuen Religion zu unterrichten. Das Christentum wurde oft unter Zwang eingeführt: Taufe oder Leben. Mit Gewalt wurden Kultstätten und -objekte zerstört und die heidnischen Priester ermordet.

Vermutlich sah das Wirken des Bischofs Jordan folgendermaßen aus: er kam mit den Soldaten Mieszkos an einen neuen Ort, wo diese die heidnischen Kultobjekte zerstörten. Während einer Woche wurde den Einwohnern die neue Religion gelehrt und am Samstag erfolgte die Taufe. Dabei wurde von den Leuten gefordert, sich von Satan loszusagen und danach den christlichen Glauben zu bekennen. Der Bischof Jordan führte die erste Messe durch, äußerte einige Lehrsätze und kehrte in die Hauptstadt zurück. Vor Ort blieb ein Kaplan, der sich um die neuen Gläubigen kümmern, sie weiter lehren und  das Kirchenleben organisieren sollte.
Dieses Missionswirken erstreckte sich vor allen Dingen auf die Orte rund um die Haupstadt und anderen naheliegenden Städte. Gebiete an der Pereferie warteten lange (manchmal bis zu 200 Jahre) auf Missionare.
Bolesław I Chrobry führte das Werk seines Vaters fort, ebenfalls oft unter Anwendung von Gewalt.  Um das Jahr 1000 fanden schon Kirchensynoden statt und es existierten einige Diözesen.

Die Situation im 11. und 12. Jahrhundert
In der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts folgten unruhige Zeiten mit Volksaufständen gegen das sich entwickelnde Feudalsystem, an dem die Kirche einen nicht geringen Anteil hatte- es beschwerte die Menschen mit der Forderung nach der Abgabe des Zehnten. Am vielen Orten wurden die Kirchen zerstört und der Klerus ermordet oder vertrieben.

Der König Kazimierz Odnowiciel (1016-1058) baute die Kirchenstrukturen wieder auf und organisierte sie und verlegte die Hauptstadt des Landes und der Kirche nach Krakau. Die Kirche organisierte auf dem polnischen Gebiet Diözesen, die gleichzeitig immer deutlicher zum politischen Subjekt wurden. Fürsten und Vermögende, die neue Kirchen und Diözesen stifteten, fühlten sich als deren Eigentümer und mischten sich oft in Kirchenangelegenheiten ein. Auf diese Weise entstand sehr schnell ein dichtes Netz von Pfarreien. Zu Ende des 12. Jahrhunderts gab es in der Gnesener Wojewodenschaft um die 800 bis 1000 Kirchen.

Die Kirche vergrößerte ihren Besitz, oft durch die Gaben Vermögender. Sie besaß ganze Dörfer und Städte samt deren Einwohner. So gehörten zum Beispiel dem Erzbischof von Gnesen im 12. Jahrhundert um die 150 Dörfer und zu Ende des 14. Jahrhunderts 11 Städte und 330 Dörfer.
Die Kirche verfügte über riesige Zolleinnahmen, den Zehnten aus der Feldarbeit sowie die Abgaben aus der Bevölkerung. Der Bischof erhielt diese Einnahmen und konnte selbst entscheiden, ob er sie für die Pfarrei aufwendete oder für sich selbst behielt.
Die Kirche wurde finanziell und politisch unabhängig. Sie erhielt immer mehr Privilegien und besaß  ihre eigenen, unabhängigen Gerichte. Das Christentum wurde in Polen zur Staatsreligion.

Am wichtigesten waren vor allen Dingen die öffentlichen religiösen Praktiken und das öffentliche religiöse Verhalten, das man kontrollieren konnte, also: die Befolgung des Sonntags, Taufen, christliche Begräbnisse, Fasten und Buße. Eine besonders wichtige religiöse Praktik war damals das Fasten (sie wurde jeden Freitag sowie während des Großen Fastens durchgeführt). Der wesentliche Ausdruck des Kirchenlebens war die Messe. Die Teilnahme der Gläubigen reduzierte sich vor vor allem auf bestimmte rituelle Gesten und Gesang oder die Beteiligung an Prozessionen. Die Priester der Pfarreien waren gewöhnlich sehr schlecht vorbereitet. Sie kannten die Liturgie und die damalige liturgische Sprache, also das Lateinische, nicht gut genug. Nur die Predigt wurde auf Polnisch gehalten. Ein wichtiges Element der Messe war das Tragen der Gaben zum Altar. Wahrscheinlich wurde die Messe mit dem Gesicht zu den Menschen durchgeführt.

Im Laufe des 12. Jahrhunderts entwickelte sich auch das Klosterleben. Besonders die Benektiner und die Zisterzienser waren in Polen aktiv. Die Zisterzienser spielten eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Landwirtschaft. Sie führten neue Techniken ein, die die Arbeit auf den Feldern erleichterte.

Im Jahre 1180 fanden eine Kirchensynode und gleichzeitig ein Priesterkongress  in Łęczycy statt. Während die Bischöfe das Recht auf die Unantastbarkeit ihres Gehaltes erhielten, verzichteten die Priester auf das Recht, sich den Besitz eines verstorbenen Bischofs anzueignen, wie es bis dahin gebräuchlich war.

Reformen im 13. Jahrhundert
Das 13. Jahrhundert war ein Zeitraum der inneren Erneuerung und der Erneuerung der Einheit des Landes. Die Kirche spielte dabei eine wichtige Rolle.
Es entstanden Spannungen zwischen dem König und der Kirche. Wie an anderen Orten Europas, kam es auch in Polen zu einem Investiturenkampf. Die Kirche strebte nach einer vollständigen Unabhängigkeit von den weltlichen Herrschern. Der Gnesener Erzbischof Henryk Kietlicz (1115-1219) forderte die Einführung der gregorianischen Reform (benannt nach dem Papst Georg VII). Dies bedeutete: freie Wahl der Bischöfe durch das Kathedralkapitel, der Verzicht der Fürsten auf das Recht der Investituren (bzw. das Recht auf die Einsetzung der Bischöfe) und einen umfassenden staatlichen Steuererlass für Kircheneigentum. Er verlangte außerdem die Einführung aller Łęczycyer Beschlüsse.

Der damalige Papst Innocent III (1161-1216), der in ganz Europa die sogenannten gregorianischen Reformen einführte, war bereit, überall einzugreifen, um nur die Macht und Position der Kirche zu stärken. Wäre das alles gelungen, hätte keine weltlichen Macht das Treiben der Kirche in  irgendeiner Weise in ihrem Streben nach dem einen Ziel hindern können: der Vormachtstellung der Kirche gegenüber dem Staat.
In Polen war keiner der Fürsten in der Lage, irgendetwas gegen den Erzbischof Kietlicz zu unternehmen. Abgesehen davon, dass die Fürsten untereinander zu uneins waren, um sich dem Vorhaben des Erzbischofs zu widersetzen.
Der König Władysław Laskonogi (1161-1231) allerdings gab nicht nach und verursachte damit einen Konflikt, in dessen Ergebnis ihn der Erzbischof mit einem Bann belegte. Der König antwortete mit einem Befehl zur Verbannung des Erzbischofs. Der Papst bestätigte den Akt des  Kietliczers und rief den polnischen Klerus zum Gehorsam gegenüber dem Bischof auf. Das bedeutete nichts Anderes als der Aufruf zum Widerstand gegen die polnische Regierung.
Der Erzbischof Kietlicz erreichte triumphierend sein Ziel. Dennoch gelang es ihm nicht, den Problemen innerhalb der Kirche zu entgehen.
Er wünsche die moralische Erneuerung des Klerus, u.a. durch das Auferlegen des Pflichtzölibates. Dadurch hatte er viele Gegner unter den Bischöfen. Die ihn charakterisierende Rücksichtslosigkeit brachte ihm grundsätzlich viele Feinde ein.
Der nachfolgende Papst, Honorius III, stand schon nicht mehr auf seiner Seite. Kietlicz starb, von allen verlassen, im Jahre 1219.
Mit Erzbischof Kietlicz begann eine Reihe von Konflikten zwischen Kirche und Staat, die sich unter den nachfolgenden Königen und Bischöfen fortsetzten. Das Ergebnis war der Verlust des staatlichen Charakters der Kirche. Dagegen wurden die Beziehungen zum vermögenden Adel immer stärker. Und aus diesen wurden die nachfolgenden Bischöfe rekrutiert.
Zu Ende des 13. Jahrhunderts regierte eine gewisse Sicherheit im Land, aber die kirchliche Situation war weit entfernt vom Bild der Kirche, das wir im Neuen Testament finden.